Na super, kaum ist der klinische Alltag erst mal aus meinem Leben raus, schon wird es enorm schwierig, jegliche Strukturen weiter beizubehalten. Dazu gehört leider auch die Blogführung, denn kaum habe ich versprochen, hier weiter zu schreiben, verschwinde ich auch.
Nein, so geht es nicht. Und auch wenn es in den letzten Monaten nicht so viel passiert ist (außer pauken-pauken-pauken), muss ich hier trotzdem ein Lebenszeichen hinterlassen: Hallo, Welt, ich bin hier, ich bin am Leben (auch wenn mein Kopf von dem ganzen Lehrstoff der Prüfungsvorbereitung gleich überkocht) und ich habe Panik.
Morgen ist es soweit: das Ergebnis meiner Arbeit in den letzten 6 Jahren. Der erste Prüfungstag, der gleich umso erschreckender erscheint, weil ich einfach nicht weiß, was mir bevorsteht. Ich denke, die beiden anderen Tage werden schon einfacher sein: der bekannte Ablauf in einem bekannten Raum. Jetzt stehe ich praktisch vor einem riesigen weißen Fleck und habe null Ahnung, was sich dahinter verbirgt.
In 3 Tagen werde ich auch mein Amerika entdeckt haben, der weiße Fleck wird vor einem riesigen Kontinent weichen. Ich hoffe nur, dass es schön und vollkommen sein wird (und dass dabei keine Indianer drauf gehen ;-) ).
In diesem Sinne - bis demnächst.
Montag, 7. Oktober 2013
Freitag, 2. August 2013
Das Glück kommt selten allein
Kaum habe ich mich so ausgiebig über den Abschluss des praktischen Jahres gefreut, gibt es schon ein anderes großes Projekt, das diese Woche zu Ende gebracht wurde: Meine Doktorarbeit.
Seit drei Jahren war ich damit beschäftigt, durchlief Höhen und Tiefen und nun ist sie fertig - heute habe ich sie vollständig eingereicht. Das war auch nicht ganz so einfach, denn die Promotionsordnung der Charité hat sich im Dezember 2012 geändert, und ich musste die einzureichenden Exemplare nochmal umgestalten (neues Titelblatt, die zweite Seite wird gelöscht, neue Selbstständigkeitserklärung mit einer Unterschrift vom Doktorvater - war gar nicht so easy, ich freue mich aber ganz doll, dass ich einen Superdoktorvater habe, der immer schnell zu erreichen ist und sehr kurzfristig Zeit für mich findet!).
Nun ja, jetzt ist das Quest "Doktorarbeit" zunächst abgeschlossen. Ich kann mich nur zurücklegen und entspannen (während die Gutachter sie in den nächsten 8 Wochen auseinander nehmen), ich kann jetzt eher nichts daran ändern. Hurra!
Seit drei Jahren war ich damit beschäftigt, durchlief Höhen und Tiefen und nun ist sie fertig - heute habe ich sie vollständig eingereicht. Das war auch nicht ganz so einfach, denn die Promotionsordnung der Charité hat sich im Dezember 2012 geändert, und ich musste die einzureichenden Exemplare nochmal umgestalten (neues Titelblatt, die zweite Seite wird gelöscht, neue Selbstständigkeitserklärung mit einer Unterschrift vom Doktorvater - war gar nicht so easy, ich freue mich aber ganz doll, dass ich einen Superdoktorvater habe, der immer schnell zu erreichen ist und sehr kurzfristig Zeit für mich findet!).
Nun ja, jetzt ist das Quest "Doktorarbeit" zunächst abgeschlossen. Ich kann mich nur zurücklegen und entspannen (während die Gutachter sie in den nächsten 8 Wochen auseinander nehmen), ich kann jetzt eher nichts daran ändern. Hurra!
Freitag, 26. Juli 2013
Woche 48. Endlich geschafft!!!
So unvorstellbar wie es auch sein mag:
Ich kann es selbst noch nicht ganz glauben: Die längsten 48 Wochen meines Lebens sind vorbei. Sie waren aber nicht die schlimmsten - ich muss schon immer wieder schmunzeln, wenn ich daran zurück denke. Es gab viele schöne Erlebnisse, aber auch einzige nicht so schöne.
Egal - wenn ich das nächste Mal eine Station betrete (abgesehen vom Schlaflabor), wird es entweder zur praktischen Prüfung oder im Rahmen von Bewerbung sein. (Es ist aber natürlich nicht ausgeschlossen, dass ich die Abschlussprüfung nicht schaffe und eins oder mehrere Tertiale wiederholen muss, aber daran möchte ich jetzt lieber nicht denken!)
Von diesem Moment an widme ich mich ganz und gar der Prüfungsvorbereitung (damit die besagte Situation gar nicht erst eintritt!) und muss nicht mehr jeden Tag um 5.30 aufstehen! Ach, das Leben kann nicht schöner werden, ich bin wirklich glücklich, dass dieser Abschnitt meines Lebens nun vorbei ist.
Ich muss aber auch sagen, dass es mir sehr viel Spaß gemacht hat, den Blog zu schreiben. Ich denke, ich werde es auch weiter tun (mal schauen, ob ich die Regelmäßigkeit auch einhalten kann).
Also - bis ganz bald auf diesen Seiten!
Ich habe es geschafft!!!
Ich kann es selbst noch nicht ganz glauben: Die längsten 48 Wochen meines Lebens sind vorbei. Sie waren aber nicht die schlimmsten - ich muss schon immer wieder schmunzeln, wenn ich daran zurück denke. Es gab viele schöne Erlebnisse, aber auch einzige nicht so schöne.
Egal - wenn ich das nächste Mal eine Station betrete (abgesehen vom Schlaflabor), wird es entweder zur praktischen Prüfung oder im Rahmen von Bewerbung sein. (Es ist aber natürlich nicht ausgeschlossen, dass ich die Abschlussprüfung nicht schaffe und eins oder mehrere Tertiale wiederholen muss, aber daran möchte ich jetzt lieber nicht denken!)
Von diesem Moment an widme ich mich ganz und gar der Prüfungsvorbereitung (damit die besagte Situation gar nicht erst eintritt!) und muss nicht mehr jeden Tag um 5.30 aufstehen! Ach, das Leben kann nicht schöner werden, ich bin wirklich glücklich, dass dieser Abschnitt meines Lebens nun vorbei ist.
Ich muss aber auch sagen, dass es mir sehr viel Spaß gemacht hat, den Blog zu schreiben. Ich denke, ich werde es auch weiter tun (mal schauen, ob ich die Regelmäßigkeit auch einhalten kann).
Also - bis ganz bald auf diesen Seiten!
Freitag, 19. Juli 2013
Woche 47. Heil und heiter?
Es ist schön, wenn aus kranken Menschen wieder gesunde werden. Darin hat man als Arzt auch die höchste Zufriedenheit. Dafür pauken wir ununterbrochen 6 Jahre lang (und noch eine Ewigkeit danach), um eines Tages das gesamte Fachwissen einsetzen und jemanden wieder lächeln sehen zu können. Oder?
Die Anhänger der Unfallchirurgie werben für ihr Lieblingsfach nicht zuletzt mit den Sätzen wie "Hier sehen wir sofort den Effekt unserer Handlungen!" oder "Wofür die öden Blutabnahmen, auf dem Röntgenbild ist eine Fraktur, schnell in den OP!". Alles in allem, "There is a fracture. I need to fix it!".
Und so wird es dann auch meistens gehandelt: Immer wieder habe ich erlebt, wie Patienten aus der Notaufnahme direkt in den Operationssaal befördert werden und wenige Stunden später mit einem frischen Marknagel / einer Platte / mehreren Schrauben auf der Station landen. Die stationäre Frakturnachsorge wird durchgezogen, und danach geht der Patient nach Hause.
Und hier fangen die Probleme schon an. Die behandelnden Ärzte auf der Station kümmert der weiteren Verlauf daheim eher wenig (wie soll es denn anders sein, es ist ja schließlich nicht ihre Aufgabe). Dem Patienten wird empfohlen, sich zur weiteren Nachsorge einem niedergelassenen Orthopäden vorzustellen. Wenn eine Rehabilitationsmaßnahme notwendig ist, gibt es eine zuständige Sozialarbeiterin.
Das war's schon, im Prinzip. Der Visitenwagen wird weiter geschoben, die nächste Zimmertür geht auf. Es wird aber schon ab und an übersehen, dass dem Patienten währenddessen schon die Tränen in den Augen stehen. "Eine Rehabilitation kommt für mich nicht in Frage, sagen Sie. Wie soll ich denn mit dem Bruch alleine zu Hause klar kommen?"
Solche und ähnliche Fragen werden nach Möglichkeit umgangen. Der Stationsarzt hat ja schließlich so viel zu tun, er kann sich nicht darum kümmern, wer die Einkäufe tätigt und das Essen kocht. Dieser Aspekt der Nachbehandlung geht leider viel zu häufig unter. Und ich habe zwar voll das Mitgefüht mit den betroffenen (meist allenstehenden) Patienten, kann mir aber auch nicht vorstellen, wie ich da helfen kann. Mir bleiben nur stille Gewissensbisse, während ich dem Visitenwagen und der restlichen Truppe hinterher eile.
Die Anhänger der Unfallchirurgie werben für ihr Lieblingsfach nicht zuletzt mit den Sätzen wie "Hier sehen wir sofort den Effekt unserer Handlungen!" oder "Wofür die öden Blutabnahmen, auf dem Röntgenbild ist eine Fraktur, schnell in den OP!". Alles in allem, "There is a fracture. I need to fix it!".
Und so wird es dann auch meistens gehandelt: Immer wieder habe ich erlebt, wie Patienten aus der Notaufnahme direkt in den Operationssaal befördert werden und wenige Stunden später mit einem frischen Marknagel / einer Platte / mehreren Schrauben auf der Station landen. Die stationäre Frakturnachsorge wird durchgezogen, und danach geht der Patient nach Hause.
Und hier fangen die Probleme schon an. Die behandelnden Ärzte auf der Station kümmert der weiteren Verlauf daheim eher wenig (wie soll es denn anders sein, es ist ja schließlich nicht ihre Aufgabe). Dem Patienten wird empfohlen, sich zur weiteren Nachsorge einem niedergelassenen Orthopäden vorzustellen. Wenn eine Rehabilitationsmaßnahme notwendig ist, gibt es eine zuständige Sozialarbeiterin.
Das war's schon, im Prinzip. Der Visitenwagen wird weiter geschoben, die nächste Zimmertür geht auf. Es wird aber schon ab und an übersehen, dass dem Patienten währenddessen schon die Tränen in den Augen stehen. "Eine Rehabilitation kommt für mich nicht in Frage, sagen Sie. Wie soll ich denn mit dem Bruch alleine zu Hause klar kommen?"
Solche und ähnliche Fragen werden nach Möglichkeit umgangen. Der Stationsarzt hat ja schließlich so viel zu tun, er kann sich nicht darum kümmern, wer die Einkäufe tätigt und das Essen kocht. Dieser Aspekt der Nachbehandlung geht leider viel zu häufig unter. Und ich habe zwar voll das Mitgefüht mit den betroffenen (meist allenstehenden) Patienten, kann mir aber auch nicht vorstellen, wie ich da helfen kann. Mir bleiben nur stille Gewissensbisse, während ich dem Visitenwagen und der restlichen Truppe hinterher eile.
Freitag, 12. Juli 2013
Woche 46. Wie wichtig nun die Sicherheit ist
Diese Woche ist etwas unglaubliches passiert. Ich war das erste Mal richtig froh, dass ich diese Einmalhandschuhe anhatte.
Ihr wisst wie es ist: In diesen komischen Gummidingen spürt man eher nichts. Blutabnehmen wird schon schwer genug, von einer Flexüle ganz zu schweigen. Und dann wird jedes Paar nach jedem Patienten weggeschmissen - auch eine Verschwendung an sich.
Im Praxistag im 2. Semester, bei dem ich einmal pro Woche für einen Vormittag in einer allgemeinmedizinischen Praxis hospitierte, hat mir die Praxisärztin das Blutabnehmen ohne Handschuhe beigebracht. "Wenn ich mir die Nadel in die Hand steche, dann steche ich auch durch die Handschuhe durch, die bringen nichts" - das war ihre Argumentation.
Im Laufe der Ausbildung habe ich mich mal mehr mal weniger daran gehalten, denn - nun wirklich! - so oder so, ich steche durch!
Klar, bei eindeutig infektiösen Patienten und / oder sichtbaren Venen habe ich auch mal Handschuhe angezogen, zum Teil um auch mein Gewissen zu beruhigen. Bei eckligen Aufgaben wird gar nicht drüber nachgedacht: Handschuhe an!
Diese Woche bin ich von einer Schwester zu einer Patientin gerufen worden, bei der die Fäden im OP mit viel Kraft zugezogen wurden und die Knoten nun praktisch im Hautniveau versunken waren.
Ich war die einzige mehr-oder-weniger-Ärztin auf der Station, die beiden anderen waren im OP bzw. in der Rettungsstelle. Und so war ich natürlich sehr stolz, dass die Schwester sich an mich gewendet hat und wollte dann auch nicht kneifen. Ich nahm das Skalpell in eine Hand, die Pinzette in die andere - fertig war die Ausrüstung.
Die Knoten waren wirklich hartnäckig. Die Schwester kümmerte sich um die Patientin, nahm ihre Hand. Drei Fäden habe ich inzwischen schon gezogen, der letzte blieb drin und wollte sich nicht entfernen lassen. Na warte, ich greife ich so und ziehe, und jetzt kann ich schneiden...
In dem Moment rutschte mein Skalpell ab und glitt blitzschnell Richtung Pinzette und linker Hand. Ich habe die Berührung der scharfen Klinge mit den Fingern gespürt. Sofort sah ich vor meinem inneren Auge, wie ich mich beim Kollegen in der Rettungsstelle vorstellen muss, wie ich auch "ein BG-Fall*" werde, Blutabnahmen zur Hepatitis-Serologie, HIV-Test etc.
Ich nahm meinen Mut zusammen und schaute auf die linke Hand. Das erste, was ich sah, war ein Fetzen vom Handschuh, der nun an meinem Zeigefinger runterhing. Sofort zog ich den Handschuh aus: Kein Blut, keine Verletzung an der Haut, nichts! Und das, obwohl die Skalpellklingen wirklich die absolut schärfsten Klingen sind, die ich in meinem Leben je gesehen habe.
Sofort war ich erleichtert. Vielen Dank, lieber namenloser Handschuh, Du hast mir echt sehr sehr viele Unannehmlichkeiten gespart!
PS: Und meine Philosophie mit Handschuhen beim Blutabnehmen werde ich auch ernsthaft überdenken.
PPS: Den letzten Faden habe ich doch noch rausgekriegt! Die Schlaufe war höchstens 1 mm im Durchmesser, der Knoten fiel einfach aus der obersten Hautschicht raus, ohne Durchschneiden.
---
* BG - Berufsgenossenschaft, Versicherungsträger u.a. bei Unfällen am Arbeitsplatz
Ihr wisst wie es ist: In diesen komischen Gummidingen spürt man eher nichts. Blutabnehmen wird schon schwer genug, von einer Flexüle ganz zu schweigen. Und dann wird jedes Paar nach jedem Patienten weggeschmissen - auch eine Verschwendung an sich.
Im Praxistag im 2. Semester, bei dem ich einmal pro Woche für einen Vormittag in einer allgemeinmedizinischen Praxis hospitierte, hat mir die Praxisärztin das Blutabnehmen ohne Handschuhe beigebracht. "Wenn ich mir die Nadel in die Hand steche, dann steche ich auch durch die Handschuhe durch, die bringen nichts" - das war ihre Argumentation.
Im Laufe der Ausbildung habe ich mich mal mehr mal weniger daran gehalten, denn - nun wirklich! - so oder so, ich steche durch!
Klar, bei eindeutig infektiösen Patienten und / oder sichtbaren Venen habe ich auch mal Handschuhe angezogen, zum Teil um auch mein Gewissen zu beruhigen. Bei eckligen Aufgaben wird gar nicht drüber nachgedacht: Handschuhe an!
Diese Woche bin ich von einer Schwester zu einer Patientin gerufen worden, bei der die Fäden im OP mit viel Kraft zugezogen wurden und die Knoten nun praktisch im Hautniveau versunken waren.
Ich war die einzige mehr-oder-weniger-Ärztin auf der Station, die beiden anderen waren im OP bzw. in der Rettungsstelle. Und so war ich natürlich sehr stolz, dass die Schwester sich an mich gewendet hat und wollte dann auch nicht kneifen. Ich nahm das Skalpell in eine Hand, die Pinzette in die andere - fertig war die Ausrüstung.
Die Knoten waren wirklich hartnäckig. Die Schwester kümmerte sich um die Patientin, nahm ihre Hand. Drei Fäden habe ich inzwischen schon gezogen, der letzte blieb drin und wollte sich nicht entfernen lassen. Na warte, ich greife ich so und ziehe, und jetzt kann ich schneiden...
In dem Moment rutschte mein Skalpell ab und glitt blitzschnell Richtung Pinzette und linker Hand. Ich habe die Berührung der scharfen Klinge mit den Fingern gespürt. Sofort sah ich vor meinem inneren Auge, wie ich mich beim Kollegen in der Rettungsstelle vorstellen muss, wie ich auch "ein BG-Fall*" werde, Blutabnahmen zur Hepatitis-Serologie, HIV-Test etc.
Ich nahm meinen Mut zusammen und schaute auf die linke Hand. Das erste, was ich sah, war ein Fetzen vom Handschuh, der nun an meinem Zeigefinger runterhing. Sofort zog ich den Handschuh aus: Kein Blut, keine Verletzung an der Haut, nichts! Und das, obwohl die Skalpellklingen wirklich die absolut schärfsten Klingen sind, die ich in meinem Leben je gesehen habe.
Sofort war ich erleichtert. Vielen Dank, lieber namenloser Handschuh, Du hast mir echt sehr sehr viele Unannehmlichkeiten gespart!
PS: Und meine Philosophie mit Handschuhen beim Blutabnehmen werde ich auch ernsthaft überdenken.
PPS: Den letzten Faden habe ich doch noch rausgekriegt! Die Schlaufe war höchstens 1 mm im Durchmesser, der Knoten fiel einfach aus der obersten Hautschicht raus, ohne Durchschneiden.
---
* BG - Berufsgenossenschaft, Versicherungsträger u.a. bei Unfällen am Arbeitsplatz
Freitag, 5. Juli 2013
Woche 45. Der Lebensabend
"Die Menschen werden immer älter", - das hört man inzwischen recht häufig, auch unter Nichtmedizinern. Und es stimmt: Es reicht, sich die Patienten auf einer Station anzuschauen. Sogar in einem so altersstufenübergreifenden Fach wie Unfallchirurgie lässt es sich mehr als deutlich nachweisen.
Zum Beispiel Rettungsstelle: Eine sehr häufige Patientengruppe dort kommt tatsächlich aus den Altersheimen. Meistens nach einem Sturz, an den sie sich auch nicht mehr erinnern. Viele sind dement, liegen auf der Trage und sind total in ihrer eigenen Welt versunken, ohne sich für uns zu interessieren.
Diese Beobachtungen haben mich viel zum Nachdenken gebracht. Der Lebensabend oder das hohe Alter, egal wie man es nennt, erwartet jeden Menschen - so oder so. Als Ausnahme gilt, man kann ja immer noch früh sterben, aber darüber möchte ich hier lieber nicht sprechen.
Es geht also um die Omas und Opas, die manchmal sogar noch den ersten Weltkrieg miterlebt haben. Viele sind über 85, manche über 90, wenige haben ein dreistelliges Alter erreicht. Ein komisches Gefühl kommt immer in mir hoch, wenn ich solche betagten Menschen sehe.
Ich denke mir nämlich jedes Mal, dass sie ja auch mal jung und voller Hoffnung waren. Diese kleine Frau, die jetzt zusammengekauert in ihrem Bett liegt und wie ein Häufchen Elend aussieht, war auch mal ein kleines Mädchen und hat jeden Tag aufs Neue mit Energie und Wissbegierde die Welt entdeckt. Sie war jung und bestimmt hübsch - das sieht man ihr immer noch an. Sie hat einen Mann getroffen, hat sich in ihn verliebt und heiratete ihn im Endeffekt. Die Szenen sehe ich vor meinem inneren Auge: Zum ersten Mal zieht sie das Brautkleid an. Passt der Schleier dazu? Haben wir bei der Feier an alles gedacht? Nein, er darf mich im Brautkleid vor der Trauung nicht sehen, das bringt Unglück!
Nach der Hochzeit blüht sie auf und freut sich auf die Kinder. Sie ist im besten Alter und kann alles schaffen. Wenn sie Glück hat, kommt ihr Mann sogar nach dem Krieg zu ihr zurück. Ab jetzt wird alles besser sein.
Die Jahre und die Jahrzente vergehen wie im Flug. Zum ersten Mal wird sie Großmutter, auch wenn sie noch nicht mal 60 ist und sich immer noch jung fühlt. Wenn da bloß nicht diese Vergesslichkeit wäre...
30 Jahre später liegt sie auf der Trage in unserer Rettungsstelle. Sie wohnt jetzt in einem Heim und erkennt nicht mal ihre Kinder wieder: Die Demenz hat sich in ihrem Kopf breit gemacht und alle Erinnerungen gefressen. Sie kam ins Krankenhaus, weil sie im Bad ausgerutscht ist - eine häufige Geschichte. Die Ärzte in der Unfallchirurgie verstehen ihr Handwerk gut: Am nächsten Tag ist sie schon eine stolze Besitzerin eines neuen Hüftgelenks. Hat sie das überhaupt bemerkt? Was kriegt sie von der Außenwelt noch mit? Wie können wir, außenstehenden, am besten zu ihr durchdringen? Müssen wir das überhaupt? Ist sie glücklich in ihrer Welt?
Solche Fragen gehen mir durch den Kopf, wenn ich diese oder eine änliche Geschichte immer und immer miterlebe. Es passiert immer häufiger: Die Menschen werden eben älter, das merkt man doch.
Zum Beispiel Rettungsstelle: Eine sehr häufige Patientengruppe dort kommt tatsächlich aus den Altersheimen. Meistens nach einem Sturz, an den sie sich auch nicht mehr erinnern. Viele sind dement, liegen auf der Trage und sind total in ihrer eigenen Welt versunken, ohne sich für uns zu interessieren.
Diese Beobachtungen haben mich viel zum Nachdenken gebracht. Der Lebensabend oder das hohe Alter, egal wie man es nennt, erwartet jeden Menschen - so oder so. Als Ausnahme gilt, man kann ja immer noch früh sterben, aber darüber möchte ich hier lieber nicht sprechen.
Es geht also um die Omas und Opas, die manchmal sogar noch den ersten Weltkrieg miterlebt haben. Viele sind über 85, manche über 90, wenige haben ein dreistelliges Alter erreicht. Ein komisches Gefühl kommt immer in mir hoch, wenn ich solche betagten Menschen sehe.
Ich denke mir nämlich jedes Mal, dass sie ja auch mal jung und voller Hoffnung waren. Diese kleine Frau, die jetzt zusammengekauert in ihrem Bett liegt und wie ein Häufchen Elend aussieht, war auch mal ein kleines Mädchen und hat jeden Tag aufs Neue mit Energie und Wissbegierde die Welt entdeckt. Sie war jung und bestimmt hübsch - das sieht man ihr immer noch an. Sie hat einen Mann getroffen, hat sich in ihn verliebt und heiratete ihn im Endeffekt. Die Szenen sehe ich vor meinem inneren Auge: Zum ersten Mal zieht sie das Brautkleid an. Passt der Schleier dazu? Haben wir bei der Feier an alles gedacht? Nein, er darf mich im Brautkleid vor der Trauung nicht sehen, das bringt Unglück!
Nach der Hochzeit blüht sie auf und freut sich auf die Kinder. Sie ist im besten Alter und kann alles schaffen. Wenn sie Glück hat, kommt ihr Mann sogar nach dem Krieg zu ihr zurück. Ab jetzt wird alles besser sein.
Die Jahre und die Jahrzente vergehen wie im Flug. Zum ersten Mal wird sie Großmutter, auch wenn sie noch nicht mal 60 ist und sich immer noch jung fühlt. Wenn da bloß nicht diese Vergesslichkeit wäre...
30 Jahre später liegt sie auf der Trage in unserer Rettungsstelle. Sie wohnt jetzt in einem Heim und erkennt nicht mal ihre Kinder wieder: Die Demenz hat sich in ihrem Kopf breit gemacht und alle Erinnerungen gefressen. Sie kam ins Krankenhaus, weil sie im Bad ausgerutscht ist - eine häufige Geschichte. Die Ärzte in der Unfallchirurgie verstehen ihr Handwerk gut: Am nächsten Tag ist sie schon eine stolze Besitzerin eines neuen Hüftgelenks. Hat sie das überhaupt bemerkt? Was kriegt sie von der Außenwelt noch mit? Wie können wir, außenstehenden, am besten zu ihr durchdringen? Müssen wir das überhaupt? Ist sie glücklich in ihrer Welt?
Solche Fragen gehen mir durch den Kopf, wenn ich diese oder eine änliche Geschichte immer und immer miterlebe. Es passiert immer häufiger: Die Menschen werden eben älter, das merkt man doch.
Freitag, 28. Juni 2013
Woche 44. Über die heilende Kraft der Empathie
Medizinische Berufe haben viele Vorteile. Einer davon ist, dass man sich meistens auf der richtigen Seite der Nadel befindet. Aber wir sind doch alle Menschen, und auch Ärzte werden manchmal krank (genauso wir Frisieure auch mal schlechte Frisuren und Schuster eben schlechte Schuhe haben).
Vor zwei Jahren habe ich mir bei einem Schlittenunfall (jaja, Schlittenfahren ist viel gefährlicher als Snowboard!) ein Kreuzband gerissen. Meine Erfahrungen in der Unfallchirurgie waren damals, im 7. Semester, gleich null. Ich habe mich an einen guten Arzt gewendet und durch ihn an einen Unfallchirurg gekommen, der mich im Endeffekt operiert und mir ein neues vorderes Kreuzband aus einer anderen Sehne gebastelt hat (wer mehr über anatomische Grundlagen und Einzelheiten zur operativen Versorgung eines Kreuzbandrisses wissen möchte, kann es gerne hier nachlesen).
Die Operation ist gut verlaufen, die postoperative Rehabilitation ebenfall. Heute erinnern mich nur zwei kleine Narben am linken Knie daran, dass ich auch mal auf dem OP-Tisch gelegen habe.
Seit zwei Jahre warte ich jedoch darauf, diese Operation auch mal im wachen Zustand mitzuerleben. Mich hat es immer interessiert: Wie wird es denn alles gemacht? Ein neues Kreuzband aus einer anderen Sehne? Wie funktioniert es?
Diese Woche war mein Warten zu Ende. Ich habe bei einer Kreuzbandplastik zugesehen. Diese Erfahrung hat mich verändert.
Bereits beim Abdecken der Patientin wurde mir zum ersten Mal klar: Ich war auch mal an ihrer Stelle und wurde genauso mit grünen OP-Tüchern zugedeckt. Es war im Raum während meiner Operation genauso dunkel, wie hier. Alle waren steril angezogen, die OP-Schwester stand neben drei Tischen und reichte die Instrumente an. Und ja, es war genauso dergleiche Bohrer damals, und der Stift war auch so groß.
Als der Operateur mit einem Sehnenstripper die Sehne entnommen hat, aus der später ein neues Kreuzband werden sollte, erinnerte ich mich an den Schmerz im Oberschenkel, den ich beim Aufwachen nach der Narkose gespürt habe. Darurch konnte ich damals den Verlauf der Sehne sehr gut nachvollziehen.
Im Endeffekt war diese Operation die schwierigste für mich, auch wenn ich dabei nichts zu tun hatte und nur zugesehen habe. Die Mischung aus Empathie und Erinnerungen überflog mich und hat für komische Gefühle gesorgt. Ich bin aber trotzdem froh, bei der Operation gewesen zu sein: Es ist wie bei einem Theraterstück hinter die Kulissen schauen zu können, und das habe ich mir auch schon immer gewünscht.
Vor zwei Jahren habe ich mir bei einem Schlittenunfall (jaja, Schlittenfahren ist viel gefährlicher als Snowboard!) ein Kreuzband gerissen. Meine Erfahrungen in der Unfallchirurgie waren damals, im 7. Semester, gleich null. Ich habe mich an einen guten Arzt gewendet und durch ihn an einen Unfallchirurg gekommen, der mich im Endeffekt operiert und mir ein neues vorderes Kreuzband aus einer anderen Sehne gebastelt hat (wer mehr über anatomische Grundlagen und Einzelheiten zur operativen Versorgung eines Kreuzbandrisses wissen möchte, kann es gerne hier nachlesen).
Die Operation ist gut verlaufen, die postoperative Rehabilitation ebenfall. Heute erinnern mich nur zwei kleine Narben am linken Knie daran, dass ich auch mal auf dem OP-Tisch gelegen habe.
Seit zwei Jahre warte ich jedoch darauf, diese Operation auch mal im wachen Zustand mitzuerleben. Mich hat es immer interessiert: Wie wird es denn alles gemacht? Ein neues Kreuzband aus einer anderen Sehne? Wie funktioniert es?
Diese Woche war mein Warten zu Ende. Ich habe bei einer Kreuzbandplastik zugesehen. Diese Erfahrung hat mich verändert.
Bereits beim Abdecken der Patientin wurde mir zum ersten Mal klar: Ich war auch mal an ihrer Stelle und wurde genauso mit grünen OP-Tüchern zugedeckt. Es war im Raum während meiner Operation genauso dunkel, wie hier. Alle waren steril angezogen, die OP-Schwester stand neben drei Tischen und reichte die Instrumente an. Und ja, es war genauso dergleiche Bohrer damals, und der Stift war auch so groß.
Als der Operateur mit einem Sehnenstripper die Sehne entnommen hat, aus der später ein neues Kreuzband werden sollte, erinnerte ich mich an den Schmerz im Oberschenkel, den ich beim Aufwachen nach der Narkose gespürt habe. Darurch konnte ich damals den Verlauf der Sehne sehr gut nachvollziehen.
Im Endeffekt war diese Operation die schwierigste für mich, auch wenn ich dabei nichts zu tun hatte und nur zugesehen habe. Die Mischung aus Empathie und Erinnerungen überflog mich und hat für komische Gefühle gesorgt. Ich bin aber trotzdem froh, bei der Operation gewesen zu sein: Es ist wie bei einem Theraterstück hinter die Kulissen schauen zu können, und das habe ich mir auch schon immer gewünscht.
Freitag, 21. Juni 2013
Woche 43. Der arabische Frühling in Berlin
Letzte Woche habe ich schon von meiner Begegnung mit der Weltpolitik erzählt. Diese Woche habe ich eine andere Seite der Medaille gesehen, die weit weniger heiter ist.
Ich war bei einer Operation eingeteilt, wo ein nicht verheilter Bruch des Oberschenkelknochens erneut versorgt werden sollte. Auf dem OP-Tisch sah ich einen jungen Mann mit vielen schlimmen Narben, die sein rechtes Bein bedeckten, an der rechten Hand fehlten der Daumen und zwei Finger.
Der Mann sollte vom Chefarzt operiert werden, außerdem waren für die Operation drei weitere Assistenten eingeteilt. Am Anfang dachte ich, es wird doch viel zu eng und ich werde eher nichts sehen und nichts machen können. Von wegen! Die Aufgabe war so anspruchsvoll, dass es für jeden genug zu tun gab.
Als erstes musste der Marknagel raus, mit dem der Bruch vor 1,5 Jahren ursprünglich versorgt wurde. Alleine das hat uns viel Arbeit gekostet: Es war nicht einfach, alle kleinen Schrauben zu finden und sie zu lösen.
Doch irgendwann war das Ding draußen. Zurück blieb ein riesiger Oberschenkelknochen, der in der Mitte gebrochen war. Die Frakturenden konnten im Laufe der vergangenen Zeit nicht zueinander finden und waren nun deutlich verdickt. Nachdem der Chefarzt das überflüssige Bindegewebe abgeschnitten hat, hat man gesehen, dass dazwischen ca. 5 mm Platz war, die Enden ließen sich also nicht adaptieren.
Die Lösung lag in einer "autologen Transplantation". Dabei wird Knochenmaterial vom Beckenkamm entnommen und in den Frakturspalt platziert. So bleibt kein Platz dazwischen und der Knochen kann wieder zuwachsen.
So war es auch geplant. Doch der Defekt hat sich so groß herausgestellt, dass der Operateur sogar auf Fremdtransplantate zurückgreifen musste, insgesamt 8 cm³ hat er verwendet. Dazu kam noch das Eigenmaterial, es war also ordentlich zu stopfen.
Am Ende wurde der Knochen mit einer Platte stabilisiert. Es waren alles sehr aufwendige Verfahren, und die Operation hat insgesamt 5 Stunden gedauert. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, woher der Patient diese ganze Verletzungen hat und fragte am Ende den anderen Assistenten. Durch eine Bombenattentat, - war die Antwort. Unser Patient war vor 1,5 Jahre Polizist in Libyen und ist dabei von einer Bombe verletzt worden.
Wie ich im letzten Eintrag schon geschrieben habe, wird so die Weltpolitik auf einmal ganz nah. Aber diesmal auf eine ganz erschreckende Art und Weise, die mich hoffen lässt, nie einen Krieg erleben zu müssen.
Ich war bei einer Operation eingeteilt, wo ein nicht verheilter Bruch des Oberschenkelknochens erneut versorgt werden sollte. Auf dem OP-Tisch sah ich einen jungen Mann mit vielen schlimmen Narben, die sein rechtes Bein bedeckten, an der rechten Hand fehlten der Daumen und zwei Finger.
Der Mann sollte vom Chefarzt operiert werden, außerdem waren für die Operation drei weitere Assistenten eingeteilt. Am Anfang dachte ich, es wird doch viel zu eng und ich werde eher nichts sehen und nichts machen können. Von wegen! Die Aufgabe war so anspruchsvoll, dass es für jeden genug zu tun gab.
Als erstes musste der Marknagel raus, mit dem der Bruch vor 1,5 Jahren ursprünglich versorgt wurde. Alleine das hat uns viel Arbeit gekostet: Es war nicht einfach, alle kleinen Schrauben zu finden und sie zu lösen.
Doch irgendwann war das Ding draußen. Zurück blieb ein riesiger Oberschenkelknochen, der in der Mitte gebrochen war. Die Frakturenden konnten im Laufe der vergangenen Zeit nicht zueinander finden und waren nun deutlich verdickt. Nachdem der Chefarzt das überflüssige Bindegewebe abgeschnitten hat, hat man gesehen, dass dazwischen ca. 5 mm Platz war, die Enden ließen sich also nicht adaptieren.
Die Lösung lag in einer "autologen Transplantation". Dabei wird Knochenmaterial vom Beckenkamm entnommen und in den Frakturspalt platziert. So bleibt kein Platz dazwischen und der Knochen kann wieder zuwachsen.
So war es auch geplant. Doch der Defekt hat sich so groß herausgestellt, dass der Operateur sogar auf Fremdtransplantate zurückgreifen musste, insgesamt 8 cm³ hat er verwendet. Dazu kam noch das Eigenmaterial, es war also ordentlich zu stopfen.
Am Ende wurde der Knochen mit einer Platte stabilisiert. Es waren alles sehr aufwendige Verfahren, und die Operation hat insgesamt 5 Stunden gedauert. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, woher der Patient diese ganze Verletzungen hat und fragte am Ende den anderen Assistenten. Durch eine Bombenattentat, - war die Antwort. Unser Patient war vor 1,5 Jahre Polizist in Libyen und ist dabei von einer Bombe verletzt worden.
Wie ich im letzten Eintrag schon geschrieben habe, wird so die Weltpolitik auf einmal ganz nah. Aber diesmal auf eine ganz erschreckende Art und Weise, die mich hoffen lässt, nie einen Krieg erleben zu müssen.
Freitag, 14. Juni 2013
Woche 42. VIP
Wir sind alle Menschen und anatomisch und physiologisch gesehen relativ gleich. Eine EHEC-Infektion würde sowohl einen Obdachlosen als auch einen Minister auf die Intensivstation befördern. Windpocken machen keinen Unterschied zwischen einer Prinzessin und einem Waisenkind. Wenn man ungeschickt vom Fahrrad fällt, brechen auch die hochgeborenen Knochen.
Und trotzdem scheinen Prominente weit über der Krankheitswelt zu schweben. Da man ihnen im Alltagsleben selten begegnet, scheinen sie auf einem anderen Planeten zu leben, wo es keine (oder nur selten) Krankheiten und Krankenhausaufenthalte gibt.
Umso interessanter wird es, wenn die Rettungsstelle plötzlich zum Empfangszimmer hoher Gäste wird. Gleich fühlt man sich mit der Weltpolitik verbunden.
So war es diese Woche, als wir die Frau eines spanischen Diplomaten behandelt haben. Sie hatte einen Fahrradunfall und hat sich dabei ganz böse die Speiche gebrochen, so nah am Ellenbogen, dass das eine Ende vom Knochen vom Rest ganz getrennt wurde und in zwei Stücken zerbrochen da lag.
Dabei war die Frau noch nie operiert worden und dementsprechen ganz aufgebracht. Sie wollte nicht mal einer CT-Untersuchung zustimmen, nur mit einem Gips nach Hause. Doch ihr Mann und ihre Tochter haben auf sie zugeredet und sie mehr oder weniger beruhigen können.
Ihren Gips hat sie bekommen, mehr konnte man in der Rettungsstelle eher nicht machen. Am nächsten Tag kam sie zur Kontrolle wieder und hat dann auch der Operation zugestimmt.
Im OP war ich auch dabei und kann sagen: Es war eine ganz knifflige Sache! Der Chefarzt hat operiert und ist dabei auch ins Schwitzen gekommen. Er hat die beiden Fragmente vom Kopf der Speiche aus dem Arm rausgeholt und sie mit kleinen Schrauben aneinander fixiert. Danach kam der schwierige Teil: Alles mit dem Knochen verbinden. Ich habe den Arm gehalten und musste drehen und ziehen, bis es endlich soweit war und der Chefarzt zustimmend nickte.
Die Patientin musste noch einige Tage stationär bleiben, an ihrem letzten Tag bei uns hatte sie Geburtstag. Die Ärzte bei der Visite haben ihr ein "Happy Birthday"-Lied gesungen. Ob es auch zu einer VIP-Leistung gehört, weiß ich nicht.
PS: Ich fange inzwischen langsam an, meine Meinung über den Chefarzt zu ändern. Bei den Operationen sehe ich, dass er sich auch vor den schwierigsten Sachen nicht scheut. Sein Team respektiert und bewundert ihn, was kann man denn sich sonst noch wünschen?
Und trotzdem scheinen Prominente weit über der Krankheitswelt zu schweben. Da man ihnen im Alltagsleben selten begegnet, scheinen sie auf einem anderen Planeten zu leben, wo es keine (oder nur selten) Krankheiten und Krankenhausaufenthalte gibt.
Umso interessanter wird es, wenn die Rettungsstelle plötzlich zum Empfangszimmer hoher Gäste wird. Gleich fühlt man sich mit der Weltpolitik verbunden.
So war es diese Woche, als wir die Frau eines spanischen Diplomaten behandelt haben. Sie hatte einen Fahrradunfall und hat sich dabei ganz böse die Speiche gebrochen, so nah am Ellenbogen, dass das eine Ende vom Knochen vom Rest ganz getrennt wurde und in zwei Stücken zerbrochen da lag.
Dabei war die Frau noch nie operiert worden und dementsprechen ganz aufgebracht. Sie wollte nicht mal einer CT-Untersuchung zustimmen, nur mit einem Gips nach Hause. Doch ihr Mann und ihre Tochter haben auf sie zugeredet und sie mehr oder weniger beruhigen können.
Ihren Gips hat sie bekommen, mehr konnte man in der Rettungsstelle eher nicht machen. Am nächsten Tag kam sie zur Kontrolle wieder und hat dann auch der Operation zugestimmt.
Im OP war ich auch dabei und kann sagen: Es war eine ganz knifflige Sache! Der Chefarzt hat operiert und ist dabei auch ins Schwitzen gekommen. Er hat die beiden Fragmente vom Kopf der Speiche aus dem Arm rausgeholt und sie mit kleinen Schrauben aneinander fixiert. Danach kam der schwierige Teil: Alles mit dem Knochen verbinden. Ich habe den Arm gehalten und musste drehen und ziehen, bis es endlich soweit war und der Chefarzt zustimmend nickte.
Die Patientin musste noch einige Tage stationär bleiben, an ihrem letzten Tag bei uns hatte sie Geburtstag. Die Ärzte bei der Visite haben ihr ein "Happy Birthday"-Lied gesungen. Ob es auch zu einer VIP-Leistung gehört, weiß ich nicht.
PS: Ich fange inzwischen langsam an, meine Meinung über den Chefarzt zu ändern. Bei den Operationen sehe ich, dass er sich auch vor den schwierigsten Sachen nicht scheut. Sein Team respektiert und bewundert ihn, was kann man denn sich sonst noch wünschen?
Freitag, 7. Juni 2013
Woche 41. Like a surgeon
Diese Woche war es endlich (auch wenn recht überraschend) soweit: Ich habe das erste Mal bei einer OP richtig mitgemacht. Sprich, nicht nur tatenlos zugeschaut oder (was bisher immer ein Highlight war und ist) die Hautnaht gemacht. Nein, diesmal durfte ich selber mal die Hand anlegen.
Die Idee, mir eine einfache Operation zu geben, hatte einer der Assistenzärzte auf der Station, wo ich gerade bin, schon seit langem. Usprünglich wollte er sogar mit dem Chefarzt reden, damit ich dementsprechen eingeteilt werde. Der Zufall wollte es aber anders.
Am Abend vor dem (zukünftigen) großen Tag kam die Oberärztin ins Stationszimmer, um wie immer die von uns geschriebenen Briefe zu korrigieren. Sie fragte mich, ob ich denn überhaupt was von dem OP-Leben mitbekomme oder nur zum Briefe Schreiben eingesetzt werde. Da mischte sich der besagte Stationsarzt mit seiner Idee (s.o.) ein. Und schon war's gegessen: Ich stand für den nächsten Tag sowieso schon auf dem OP-Plan, da können wir die eigentliche Operateurin ja auch ein bisschen mal "ärgern" (so die Oberärztin).
Ehrlich gesagt, dachte ich, sie würde es bis morgen schon längst vergessen. Deshalb bin ich auch ohne große Erwartungen in die Operation gestartet. Doch genau nach der Hälfte durfte ich mit der anderen Ärztin, die operiert hat, die Plätze tauschen und hatte mal was anderes in der Hand, als einen Haken oder eine Schere.
Na gut, die Operation war nichts besonderes: Keine Hüft-TEP, keine Kyphoplastie*. Lediglich eine Materialentfernung bei einer zusammengewachsenen Schlüsselbeinfraktur. Und trotzdem fand ich es irgendwie echt cool, mit Fingern im Körper eines anderen Menschen zu wühlen. Auch wenn das Gefühl etwas merkwürdig ist. Trotzdem cool, yeah!..
PS: Um mich dann von der komischen Idee abzubringen, doch noch in die Richtung Orthopädie zu gehen, habe ich direkt anschließend die Examensfragen aus der Inneren Medizin gekreuzt. Die unerklärliche Affinität des IMPP zu den ausgefallensten Fragen aus dem Bereich der Rheumatologie wird mir wohl für immer schleierhaft bleiben...
---
* Kyphoplastie - "Aufpumpen" eines gebrochenen Wirbekörpers mit einem Ballon und Knochenzement (wiki)
Die Idee, mir eine einfache Operation zu geben, hatte einer der Assistenzärzte auf der Station, wo ich gerade bin, schon seit langem. Usprünglich wollte er sogar mit dem Chefarzt reden, damit ich dementsprechen eingeteilt werde. Der Zufall wollte es aber anders.
Am Abend vor dem (zukünftigen) großen Tag kam die Oberärztin ins Stationszimmer, um wie immer die von uns geschriebenen Briefe zu korrigieren. Sie fragte mich, ob ich denn überhaupt was von dem OP-Leben mitbekomme oder nur zum Briefe Schreiben eingesetzt werde. Da mischte sich der besagte Stationsarzt mit seiner Idee (s.o.) ein. Und schon war's gegessen: Ich stand für den nächsten Tag sowieso schon auf dem OP-Plan, da können wir die eigentliche Operateurin ja auch ein bisschen mal "ärgern" (so die Oberärztin).
Ehrlich gesagt, dachte ich, sie würde es bis morgen schon längst vergessen. Deshalb bin ich auch ohne große Erwartungen in die Operation gestartet. Doch genau nach der Hälfte durfte ich mit der anderen Ärztin, die operiert hat, die Plätze tauschen und hatte mal was anderes in der Hand, als einen Haken oder eine Schere.
Na gut, die Operation war nichts besonderes: Keine Hüft-TEP, keine Kyphoplastie*. Lediglich eine Materialentfernung bei einer zusammengewachsenen Schlüsselbeinfraktur. Und trotzdem fand ich es irgendwie echt cool, mit Fingern im Körper eines anderen Menschen zu wühlen. Auch wenn das Gefühl etwas merkwürdig ist. Trotzdem cool, yeah!..
PS: Um mich dann von der komischen Idee abzubringen, doch noch in die Richtung Orthopädie zu gehen, habe ich direkt anschließend die Examensfragen aus der Inneren Medizin gekreuzt. Die unerklärliche Affinität des IMPP zu den ausgefallensten Fragen aus dem Bereich der Rheumatologie wird mir wohl für immer schleierhaft bleiben...
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* Kyphoplastie - "Aufpumpen" eines gebrochenen Wirbekörpers mit einem Ballon und Knochenzement (wiki)
Freitag, 31. Mai 2013
Woche 40. Im Rhythmus bleiben
Es ist jetzt schon klar: Das praktische Jahr hat mich mit einer Sache auf jeden Fall beschert. Die Frage des (eventuellen) Wissenszuwachses lasse ich mal außen vor, jetzt spreche ich vom Arbeitsrhythmus.
In den ersten fünf Jahren meines Studium konnte ich meine Zeit ziemlich frei einteilen. Dank der fehlenden Anwesenheitspflicht für viele Lehrveranstaltungen im Reformstudiengang konnte ich mich häufig morgens spontan entscheiden, ob ich nun zu diesem Seminar gehen will oder nicht. Jetzt ist dieser Spaß auf jeden Fall vorbei.
Am Dienstag war ich mit einer Freundin in einem Impro-Theater. Der Abend war super, wir haben gelacht und die Zeit genossen. Der einzige Nachteil war, dass das Program bis 23 Uhr ging. Kurz vor Mitternacht war ich erst zu Hause. Und am nächsten Morgen ging die Arbeit wieder los, ich musste wie immer um 6 Uhr aufstehen.
Dieser Freiheiten fehlen mir manchmal. Klar, der Studentenstatus hat viele Nachteile. Aber um diesen einen Vorteil der freien Zeiteinteilung traue ich am meisten. Denn bis auf die Vorbereitung für die große Prüfung im Herbst werde ich nie wieder so frei sein wie früher.
In den ersten fünf Jahren meines Studium konnte ich meine Zeit ziemlich frei einteilen. Dank der fehlenden Anwesenheitspflicht für viele Lehrveranstaltungen im Reformstudiengang konnte ich mich häufig morgens spontan entscheiden, ob ich nun zu diesem Seminar gehen will oder nicht. Jetzt ist dieser Spaß auf jeden Fall vorbei.
Am Dienstag war ich mit einer Freundin in einem Impro-Theater. Der Abend war super, wir haben gelacht und die Zeit genossen. Der einzige Nachteil war, dass das Program bis 23 Uhr ging. Kurz vor Mitternacht war ich erst zu Hause. Und am nächsten Morgen ging die Arbeit wieder los, ich musste wie immer um 6 Uhr aufstehen.
Dieser Freiheiten fehlen mir manchmal. Klar, der Studentenstatus hat viele Nachteile. Aber um diesen einen Vorteil der freien Zeiteinteilung traue ich am meisten. Denn bis auf die Vorbereitung für die große Prüfung im Herbst werde ich nie wieder so frei sein wie früher.
Freitag, 24. Mai 2013
Woche 39. Der Chef und ich
Wie gesagt, es gibt doch viele schöne Sachen in der Unfallchirurgie. Das könnt Ihr alle in den vorausgegangenen Beiträgen nachlesen. Doch eine Sache finde ich irgendwie doof und komme mit ihr gar nicht oder halt sehr schlecht klar. Es geht um die Hierarchie.
"Ay, ay, Captain!", - pflegen die Seeleute zu sagen. Das klingt irgendwie lustig, und auch wenn man es in seinen eigenen Alltag einbauen kann. Aber wenn es wirklich ernst gemeint werden soll, wenn die Hierarchie und das Machtspiel sich zuspitzen, da steige ich aus, tut mir leid.
Mein geliebtes zweites Tertial auf meiner geliebten ITS lang (und zum Teil auch davor, in der Pädiatrie) war ich durchaus als Kollegin angesehen, und bin in das Ärzteteam voll integriert worden. Aber jetzt bin ich den starren Hierarchien in der Unfallchirurgie ausgeliefert, und die Welt steht plötzlich Kopf.
Klar, die meisten Assistenzärzte (auch die, die schon kurz vor der Facharztprüfung stehen) sind sehr nett. Und auf der Station, wo ich gerade bin, werde ich sowohl von ihnen, als auch (oh Wunder!) den Schwestern respektiert und darf meinen weißen Kittel mit Stolz tragen. Sobald es aber Richtung Oberarzt- oder Chefarztetage geht, fühle ich mich wieder auf den Stand eines Einzellers degradiert, bei dem Chef natürlich viel stärker (manche Oberärzte loben mich ja ab und zu, das darf ich auch nicht vergessen).
Aber den Chefarzt finde ich wirklich echt unmöglich. Okay, er mag auf seinem Fachgebiet die größte Erfahrung besitzen (was vielleicht damit zusammenhängt, dass er einfach der älteste ist, haha), aber es regt mich jedes Mal aufs Neue auf, wie wenig Vertrauen (na, im Prinzip gar keins) er seinem Team entgegen bringt! Das darf doch nicht wahr sein, dass er alles - aber wirklich alles! - in Frage stellt, und dann noch die Leute, die es wagen, eine andere Meinung zu haben!, blöd aufzieht.
Na ja, ich bin nur froh, dass ich nicht unter seinem Kommando mein ganzes Leben langdienen arbeiten muss. Nur ein einziges Mal hat er mich persönlich angesprochen, und alleine das reicht schon voll aus: Ich solle doch kein "blaues Kasack" (Originalwortwahl) auf Arbeit tragen, weil es ja die Farbe der OP-Klamotten im großen OP-Trakt ist! Bei dem Kerl habe ich ständig das Gefühl, dass ich im falschen Film bin, aber echt...
"Ay, ay, Captain!", - pflegen die Seeleute zu sagen. Das klingt irgendwie lustig, und auch wenn man es in seinen eigenen Alltag einbauen kann. Aber wenn es wirklich ernst gemeint werden soll, wenn die Hierarchie und das Machtspiel sich zuspitzen, da steige ich aus, tut mir leid.
Mein geliebtes zweites Tertial auf meiner geliebten ITS lang (und zum Teil auch davor, in der Pädiatrie) war ich durchaus als Kollegin angesehen, und bin in das Ärzteteam voll integriert worden. Aber jetzt bin ich den starren Hierarchien in der Unfallchirurgie ausgeliefert, und die Welt steht plötzlich Kopf.
Klar, die meisten Assistenzärzte (auch die, die schon kurz vor der Facharztprüfung stehen) sind sehr nett. Und auf der Station, wo ich gerade bin, werde ich sowohl von ihnen, als auch (oh Wunder!) den Schwestern respektiert und darf meinen weißen Kittel mit Stolz tragen. Sobald es aber Richtung Oberarzt- oder Chefarztetage geht, fühle ich mich wieder auf den Stand eines Einzellers degradiert, bei dem Chef natürlich viel stärker (manche Oberärzte loben mich ja ab und zu, das darf ich auch nicht vergessen).
Aber den Chefarzt finde ich wirklich echt unmöglich. Okay, er mag auf seinem Fachgebiet die größte Erfahrung besitzen (was vielleicht damit zusammenhängt, dass er einfach der älteste ist, haha), aber es regt mich jedes Mal aufs Neue auf, wie wenig Vertrauen (na, im Prinzip gar keins) er seinem Team entgegen bringt! Das darf doch nicht wahr sein, dass er alles - aber wirklich alles! - in Frage stellt, und dann noch die Leute, die es wagen, eine andere Meinung zu haben!, blöd aufzieht.
Na ja, ich bin nur froh, dass ich nicht unter seinem Kommando mein ganzes Leben lang
Freitag, 17. Mai 2013
Woche 38. "Wer schlägt, der liebt"
Schon wieder muss ich auf russische Sprichwörter zurückgreifen, wenn ich an meine Arbeit denke. Diesmal ist es "Wer schlägt, der liebt". Meiner (modernen) Ansicht nach, ein komisches Überbleibsel aus der Zeit von "Domostroj", einem Buch aus dem 16. Jahrhundert mit Ratschlägen oder eher Richtlinien, wie man seinen Haushalt führen soll (wiki). In diesem schönen Buch gibt es nämlich auch genug Vorschläge, wie die Ehefrau zu erziehen ist: "Schlage Dein Weib jeden Tag außer sonntags. Schage sie mit allem außer mit einem Ofenhaken oder einer Deichsel".
Diese Sätze wird in Russland öfters zitiert, wenn es mal um die alten Lebensweisen und die Traditionen geht. Doch manche Männer, auch hier in Deutschland, leben anscheinend immer noch danach. Denn anders kann ich mir es nicht erklären, dass es heutzutage so viele Opfer der häuslichen Gewalt gibt.
Vorletzte Woche hatten wir eine solche Patientin in der Rettungsstelle, diese Woche wieder. Zwei ganz unterschiedliche Frauen, die eins verbindet: Blaue Flecken, psychischer Schock, Verletzungen nicht nur am Leib, sondern auch an der Seele.
Was werden sie wohl gefühlt haben, als der (einst) geliebte Mensch plötzlich auf sie losging? Sie erzählen von dem Vorgang, etwas monoton, aber man sieht ihnen an, dass sie gerade das Ganze vor dem inneren Auge Revue passieren lassen. Und wieder und wieder diesen Schmerz spüren.
Man sagt, Wörter können manchmal mehr weh tun als Schläge. Das mag sein. Aber in einer Liebesbeziehung, die gerade auf Vertrauen und Hingabe basieren soll, ist doch beides fehl am Platz! Ich leide mit diesen beiden Frauen, die ich gesehen und untersucht, mit denen ich ausführlich gesprochen habe, voll mit. Und ich wünsche ihnen und tausenden anderen, die vielleicht nicht mal die Mut finden, darüber zu sprechen, vom ganzen Herzen, dass sie aus diesem Teufelskreis rauskommen, dass sie irgendwann wieder frei werden.
Diese Sätze wird in Russland öfters zitiert, wenn es mal um die alten Lebensweisen und die Traditionen geht. Doch manche Männer, auch hier in Deutschland, leben anscheinend immer noch danach. Denn anders kann ich mir es nicht erklären, dass es heutzutage so viele Opfer der häuslichen Gewalt gibt.
Vorletzte Woche hatten wir eine solche Patientin in der Rettungsstelle, diese Woche wieder. Zwei ganz unterschiedliche Frauen, die eins verbindet: Blaue Flecken, psychischer Schock, Verletzungen nicht nur am Leib, sondern auch an der Seele.
Was werden sie wohl gefühlt haben, als der (einst) geliebte Mensch plötzlich auf sie losging? Sie erzählen von dem Vorgang, etwas monoton, aber man sieht ihnen an, dass sie gerade das Ganze vor dem inneren Auge Revue passieren lassen. Und wieder und wieder diesen Schmerz spüren.
Man sagt, Wörter können manchmal mehr weh tun als Schläge. Das mag sein. Aber in einer Liebesbeziehung, die gerade auf Vertrauen und Hingabe basieren soll, ist doch beides fehl am Platz! Ich leide mit diesen beiden Frauen, die ich gesehen und untersucht, mit denen ich ausführlich gesprochen habe, voll mit. Und ich wünsche ihnen und tausenden anderen, die vielleicht nicht mal die Mut finden, darüber zu sprechen, vom ganzen Herzen, dass sie aus diesem Teufelskreis rauskommen, dass sie irgendwann wieder frei werden.
Freitag, 10. Mai 2013
Woche 37. Überraschung!
Diese Woche habe ich etwas erlebt, was ich wohl nie für möglich gehalten hätte: Eine Entdeckung, dass Unfallchirurgie doch Spaß machen kann!
Angefangen mit dem Lob von einer Oberärztin, die immer etwas grimmig guckt, weiter mit netten Worten von der Stationsärztin, die mit mir sehr zufrieden war, und am Ende noch eine Erkenntnis, dass ich inzwischen ziemlich gut nähen kann – sowohl im OP, als auch in der Rettungsstelle.
À propos Rettungsstelle: Jedes Mal erlebe ich aufs Neue, wie Unfallchirurgen dort viel bessere Karten haben. Erstens, sagt die Klinik (also, die Art von Beschwerden) schon vieles über die Ursache aus – wo nichts weh tut, kann auch (fast immer) nicht kaputt sein. Die einzigen schwierigen Fälle sind demente Patienten aus dem Altersheim, die ihre Schmerzen einfach nicht ausdrücken können. Und auch dann, wie in allen Fällen wo man nicht weiter kommt oder sich einfach absichern möchte, wird schnell eine Röntgenaufnahme gemacht, und fertig ist die Diagnose!
Dagegen bei den Internisten dauert alles einfach viel länger. Erkrankungen der inneren Organe können sich auf unterschiedlichste Art und Weise manifestieren, da gibt es höchstens Leitsymptome, die für eine oder andere Krankheit charakteristisch sein können, und mehrere Differentialdiagnosen, die man alle ausschließen muss. Klar, es ist nicht unbedingt eine Sache von Stunden und wird nicht ausschließlich in der Rettungsstelle gemacht. Doch auch dort muss man sich als erstes einen Überblick bei den Beschwerden verschaffen, Anamnese erheben, den Patienten untersuchen, eine Verdachtsdiagnose stellen und sie (am häufigsten) mit Labor bestätigen. Das nimmt einfach viel mehr Zeit in Anspruch.
Und so ist es: Während der Unfallchirurg gemütlich am Mittagstisch sitzt, muss der Internist hin und her rennen. Aber es geht auch anders: 10 unfallchirurgische Patienten und 1 internistischer. Da wechseln sich die Rollen.
Freitag, 3. Mai 2013
Woche 36. Mein Lobgesang an die Rettungsstelle
Dienste in der Rettungsstelle werden von vielen Ärzten nicht gerne genommen. In der Uniklinik, zum Beispiel, dauert das Warten für die Patienten manchmal bis zu acht Stunden! Für die Ärzte ist es dann wiederum mit einem erheblichen Zeitdruck verbunden: Ich kann mich unmöglich einem Patienten so lange widmen, wie es mir lieb ist, wenn draußen noch 20 andere warten, und manche schon seit Ewigkeit.
Umso überraschender war es, dass das kleine Krankenhaus, wo ich gerade mein drittes PJ-Tertial absolviere, eine ebenfall kleine und putzige erste Hilfe hat. Es gibt sieben Behandlungszimmer, von denen vier den Internisten und zwei den Unfallchirurgen gehören, das siebte ist für die Allgemeinchirurgen (wenn sie mal gebraucht werden, denn sie kommen nur konsiliarisch) reserviert.
Die Rettungsstelle ist zwar vom ärztlichen und pflegerischen Personal durchgehen rund um die Uhr besetzt (so steht es ganz stolz auf den Infoblättern), die meiste Zeit sind aber eben nur der Internist und der Unfallchirurg da (wenn überhaupt). Alle anderen kommen erst, wenn sie gerufen werden, mit Ausnahme der HNO-Abteilung, die ihre eigene Rettungsstelle im 1. OG besitzt. Dorthin werden alle Patienten weitergeleitet, wenn bei der unfallchirurgischen Untersuchung eine Verletzung im Gesicht oder Halsbereich vorliegt, unabhängig von der Größe. (Ich muss dabei immer an die Abschieben-Regel aus "House of God" denken, so zutreffend ist es dann eben.)
Dieser Ausmaß an Räumlichkeiten und ärztlicher Besatzung reicht anscheinend auch, denn das Gedränge der Patienten hält sich überraschenderweise sehr in Grenzen. Die längste Wartezeit, die ich mitbekommen habe, waren 2-2,5 Stunden, dabei hatten wir einen sehr stressigen Abend mit acht (!) Patientenakten in der Warteschlange. Da hat sich der Arzt gefreut, dass ich auch da war, gemeinsam haben wir den Stapel schnell abgearbeitet.
Meistens verlaufen die Dienste ganz entspannt. Spätdienste mag ich sogar lieber, weil sich dann der Krankenhaustrubel etwas legt (und ich zur einzigen Studentin in der Unfallchirurgie werde). Das Pflegepersonal wird automatisch freundlicher, man kann sich gemeinsam am Tisch sehr nett unterhalten.
Abends darf ich auch viel mehr selber machen: Meine Highlights sind natürlich das Nähen von Platzwunden und das Spalten von Panaritium (Eiteransammlung unter der Haut am Finger), beides mit sterilen Handschuhen und echten OP-Leuchten. Solche Kleinigkeiten wie Anlegen eines venösen Zugangs oder Tetanusimpfung sind dann nicht mehr der Rede wert.
Dadurch kommt es, dass die Ärzte auch milder gestimmt sind. Ich bekomme nicht nur eine eins-zu-eins Betreuung, sondern auch einen echten theoretischen Unterricht mit Merkhilfen und Untersuchungstechniken, der tagsüber leider mehr ausfällt als stattfindet. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ich gefühlte 90% der Lernerfolge in der Unfallchirurgie meinen abendlichen Einsätzen in der Rettungsstelle verdanke.
Umso überraschender war es, dass das kleine Krankenhaus, wo ich gerade mein drittes PJ-Tertial absolviere, eine ebenfall kleine und putzige erste Hilfe hat. Es gibt sieben Behandlungszimmer, von denen vier den Internisten und zwei den Unfallchirurgen gehören, das siebte ist für die Allgemeinchirurgen (wenn sie mal gebraucht werden, denn sie kommen nur konsiliarisch) reserviert.
Die Rettungsstelle ist zwar vom ärztlichen und pflegerischen Personal durchgehen rund um die Uhr besetzt (so steht es ganz stolz auf den Infoblättern), die meiste Zeit sind aber eben nur der Internist und der Unfallchirurg da (wenn überhaupt). Alle anderen kommen erst, wenn sie gerufen werden, mit Ausnahme der HNO-Abteilung, die ihre eigene Rettungsstelle im 1. OG besitzt. Dorthin werden alle Patienten weitergeleitet, wenn bei der unfallchirurgischen Untersuchung eine Verletzung im Gesicht oder Halsbereich vorliegt, unabhängig von der Größe. (Ich muss dabei immer an die Abschieben-Regel aus "House of God" denken, so zutreffend ist es dann eben.)
Dieser Ausmaß an Räumlichkeiten und ärztlicher Besatzung reicht anscheinend auch, denn das Gedränge der Patienten hält sich überraschenderweise sehr in Grenzen. Die längste Wartezeit, die ich mitbekommen habe, waren 2-2,5 Stunden, dabei hatten wir einen sehr stressigen Abend mit acht (!) Patientenakten in der Warteschlange. Da hat sich der Arzt gefreut, dass ich auch da war, gemeinsam haben wir den Stapel schnell abgearbeitet.
Meistens verlaufen die Dienste ganz entspannt. Spätdienste mag ich sogar lieber, weil sich dann der Krankenhaustrubel etwas legt (und ich zur einzigen Studentin in der Unfallchirurgie werde). Das Pflegepersonal wird automatisch freundlicher, man kann sich gemeinsam am Tisch sehr nett unterhalten.
Abends darf ich auch viel mehr selber machen: Meine Highlights sind natürlich das Nähen von Platzwunden und das Spalten von Panaritium (Eiteransammlung unter der Haut am Finger), beides mit sterilen Handschuhen und echten OP-Leuchten. Solche Kleinigkeiten wie Anlegen eines venösen Zugangs oder Tetanusimpfung sind dann nicht mehr der Rede wert.
Dadurch kommt es, dass die Ärzte auch milder gestimmt sind. Ich bekomme nicht nur eine eins-zu-eins Betreuung, sondern auch einen echten theoretischen Unterricht mit Merkhilfen und Untersuchungstechniken, der tagsüber leider mehr ausfällt als stattfindet. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ich gefühlte 90% der Lernerfolge in der Unfallchirurgie meinen abendlichen Einsätzen in der Rettungsstelle verdanke.
Freitag, 26. April 2013
Woche 35. Zurück zu dem Anfang
Ich werde mich wohl nie mit der unglaublich starren Hierarchie in allen chirurgischen Fächern abfinden können. Nachdem die beiden ersten Tertiale so kollegial abgelaufen sind, fühle ich mich jetzt wieder wie ein Erstklässler.
Am Donnerstag sollte ich mich zum Beispiel bei einer OP nicht mal mitwaschen, sondern stand in der Ecke und schauete aus einer 2-Meter Entfernung, wie der Chefarzt irgendwelche Stifte in einen Wirbelkörper des Patienten reinjagt, während die ihm assistierende Oberärztin auf die Pedale des Röntgen-Geräts drückt. Enorm lehrreich. Zwei Stunden lang.
Klar, dass ich nach solchen Situationen schnell frustriert werde. Nach der Betreuung eigener Patienten auf der ITS der Uniklinik ist die Rückkehr in das normale Leben eines Studenten eben nur schwer zu verdauen.
Am Donnerstag sollte ich mich zum Beispiel bei einer OP nicht mal mitwaschen, sondern stand in der Ecke und schauete aus einer 2-Meter Entfernung, wie der Chefarzt irgendwelche Stifte in einen Wirbelkörper des Patienten reinjagt, während die ihm assistierende Oberärztin auf die Pedale des Röntgen-Geräts drückt. Enorm lehrreich. Zwei Stunden lang.
Klar, dass ich nach solchen Situationen schnell frustriert werde. Nach der Betreuung eigener Patienten auf der ITS der Uniklinik ist die Rückkehr in das normale Leben eines Studenten eben nur schwer zu verdauen.
Samstag, 20. April 2013
Woche 34. Schmerzhaft
Ich gebe zu: Unfallchirurgie kann Spaß machen! Vor allem in der Rettungsstelle und vor allem abends, wenn der alltägliche Krankenhaustrubel sich etwas beruhigt hat.
Die Frühschicht vom Pflegepersonal geht, in der Spätschicht sind gefühlt ein paar Leute weniger, sodass es dann auch nicht mehr so voll in den kleinen Räumen ist. Wenn viele Patienten im Warteraum sitzen, vergeht die Zeit wie im Flug, ansonsten kann man sie mit genug Smalltalk vollstopfen.
Nachmittags oder abends ist dann die höchste Zeit für die Stammkunden der Unfallchirugie: Betagte Patienten meistens aus einem Pflegeheim, die aus dem Bett gefallen / auf den Fliesen ausgerutscht / an der Treppe gestürzt sind. Sie alle erwartet das gleiche Programm: Anamnese = "Wo tut's denn weh?", körperliche Untersuchung = an der besagten Stelle fröhlich rumdrücken, Röntgen des Beckens und der Hüfte = dem Feind ins Gesicht blicken.
(Dieses Szenario habe ich letzte Woche so oft erlebt, dass ich gestern im Rahmen der Prüfungsvorbereitung eine recht komplizierte Frage zu Schenkelhalsfrakturen richtig gekreuzt habe und nun recht stolz auf mich bin!)
Ein Knochenbruch kann jedoch unter Umständen schon ein paar unangenehme Momente bereiten. Ich finde es aber jedes Mal voll erstaunlich, wie unterschiedlich Menschen mit Scherzen umgehen.
Da gibt es eine alte Oma, die, wie wir später auf dem Röntgen-Bild sehen, sich vor kurzem einem komlizierten Schenkelhalsbruch zugezogen hat, bei der Untersuchung aber nicht im geringsten das Gesicht verzieht. Eine junge Frau, Mutter zwei Kinder, hält nach dem Sturz ihren Unterarm zwar fest, bleibt mit der Stimme aber nach wie vor ruhig, auch wenn der Arzt die zweifellos schmerzhafte Untersuchung beginnt.
Da ist ein 12-jähriges Mädchen, das gestern barfuß auf einen rostigen Nagel getreten ist, jetzt ist die Stelle gerötet und muss aufgespalten werden - sie klammert sich währenddessen an ihre Mama und schluchzt ganz leise. Eine 40-jährige Motorradfahrerin, die auf der Straße mit ihrem Motorrad umgekippt ist, zuckt zusammen und wird laut, sobald der Arzt die Platzwunde an ihrem Knie nur anfässt.
Ganz außen steht ein 55-jähriger Mann, der solche starken Schmerzen in der Hüfte hat, dass nicht mal eine Röntgenaufnahme klappt. Es besteht starker Verdacht auf eine Entzündung des Oberschenkelkopfes, er wird operiert.
Vollkommen unterschiedliche Geschichten, die nur eins vereint - Schmerz. Das ist der Alltag der Unfallchirurgie.
Die Frühschicht vom Pflegepersonal geht, in der Spätschicht sind gefühlt ein paar Leute weniger, sodass es dann auch nicht mehr so voll in den kleinen Räumen ist. Wenn viele Patienten im Warteraum sitzen, vergeht die Zeit wie im Flug, ansonsten kann man sie mit genug Smalltalk vollstopfen.
Nachmittags oder abends ist dann die höchste Zeit für die Stammkunden der Unfallchirugie: Betagte Patienten meistens aus einem Pflegeheim, die aus dem Bett gefallen / auf den Fliesen ausgerutscht / an der Treppe gestürzt sind. Sie alle erwartet das gleiche Programm: Anamnese = "Wo tut's denn weh?", körperliche Untersuchung = an der besagten Stelle fröhlich rumdrücken, Röntgen des Beckens und der Hüfte = dem Feind ins Gesicht blicken.
(Dieses Szenario habe ich letzte Woche so oft erlebt, dass ich gestern im Rahmen der Prüfungsvorbereitung eine recht komplizierte Frage zu Schenkelhalsfrakturen richtig gekreuzt habe und nun recht stolz auf mich bin!)
Ein Knochenbruch kann jedoch unter Umständen schon ein paar unangenehme Momente bereiten. Ich finde es aber jedes Mal voll erstaunlich, wie unterschiedlich Menschen mit Scherzen umgehen.
Da gibt es eine alte Oma, die, wie wir später auf dem Röntgen-Bild sehen, sich vor kurzem einem komlizierten Schenkelhalsbruch zugezogen hat, bei der Untersuchung aber nicht im geringsten das Gesicht verzieht. Eine junge Frau, Mutter zwei Kinder, hält nach dem Sturz ihren Unterarm zwar fest, bleibt mit der Stimme aber nach wie vor ruhig, auch wenn der Arzt die zweifellos schmerzhafte Untersuchung beginnt.
Da ist ein 12-jähriges Mädchen, das gestern barfuß auf einen rostigen Nagel getreten ist, jetzt ist die Stelle gerötet und muss aufgespalten werden - sie klammert sich währenddessen an ihre Mama und schluchzt ganz leise. Eine 40-jährige Motorradfahrerin, die auf der Straße mit ihrem Motorrad umgekippt ist, zuckt zusammen und wird laut, sobald der Arzt die Platzwunde an ihrem Knie nur anfässt.
Ganz außen steht ein 55-jähriger Mann, der solche starken Schmerzen in der Hüfte hat, dass nicht mal eine Röntgenaufnahme klappt. Es besteht starker Verdacht auf eine Entzündung des Oberschenkelkopfes, er wird operiert.
Vollkommen unterschiedliche Geschichten, die nur eins vereint - Schmerz. Das ist der Alltag der Unfallchirurgie.
Freitag, 12. April 2013
Woche 33. Neuanfang
Meinen Beobachtungen nach teilen sich Mediziner ziemlich genau in zwei Gruppen: Internisten und Chirurgen. Ein schönes Bild dazu gab es mal in "Scrubs", einer der realitätstreuesten Arztserien: Internisten sind wie Schachklub, Chirurgen wie Footballteam.
Dem kann ich nicht widersprechen. Tatsächlich gehören viele einem bestimmten Menschentyp an, der sie entweder zum Grübeln und Nachdenken oder zum schnellen Handeln und ebenfalls schnellen Ergebnissen neigen lässt.
Diese Einteilung ist jedoch nicht starr: Manchmal ändert sich die Neigung. Mein Studium habe ich mit dem Gedanken angefangen, eine chirurgische Laufbahn anzustreben, ich legte bei den Mahlzeiten viel Wert auf saubere Schnitte und auch beim Kochen tat ich manchmal so, als wäre ich im OP. Doch die Realität dieses Berufes hat mich schnell abgeschreckt: Familienunfreundliche Arbeitszeiten, ständiger Konkurrenzkampf, unflexibler Arbeitsablauf.
Noch vor den Prüfungen des 1. Semesters habe ich meine Meinung geändert, seitdem bin ich durch und durch Internist. Mit umso mehr Sörgen und Demotivation habe ich diese Woche mein Chirurgie-Tertial angefangen.
Nach dem Trubel und Hochbetrieb des Uniklinikums bin ich jetzt in einem kleinen Haus, wo es zwei orthopädische und eine allgemeinchirurgische Stationen sowie nur drei Säle für die beiden Fachrichtungen gibt. Umso größer war mein Erstauen, als sich herausstellte, dass auf diesem sehr überschaubaren Gebiet ganze sieben PJ-ler sich ihre Arbeit teilen sollen!
Zugegeben, es ist schon ziemlich eng. Zum Glück gibt es noch die Rettungsstelle, die durchgehend von einem Unfallchirurgen mitbetreut wird, dorthin habe ich mich für die ersten zwei Wochen verdrückt. Da kann ich wenigstens den allgemeinen Rettungsstellenbetrieb näher kennenlernen, was mir auch im späteren Berufsleben nützen wird. Auch wenn ich immer wieder stauen muss, dass Pflegeschüler dort offensichtlich einen höheren Status besitzen und viel mehr praktische Aufgaben und sogar Unterricht (!) bekommen, als ich, Studentin im letzten Jahr.
Es gibt also vieles, worauf ich mich nun neu einstellen muss. Ich tröste mich jetzt nur mit dem Gedanken, dass es das letzte Tertial sein wird, und dass die Zeit ebenfalls so schnell vorbei geht, wie in den ersten zwei.
Dem kann ich nicht widersprechen. Tatsächlich gehören viele einem bestimmten Menschentyp an, der sie entweder zum Grübeln und Nachdenken oder zum schnellen Handeln und ebenfalls schnellen Ergebnissen neigen lässt.
Diese Einteilung ist jedoch nicht starr: Manchmal ändert sich die Neigung. Mein Studium habe ich mit dem Gedanken angefangen, eine chirurgische Laufbahn anzustreben, ich legte bei den Mahlzeiten viel Wert auf saubere Schnitte und auch beim Kochen tat ich manchmal so, als wäre ich im OP. Doch die Realität dieses Berufes hat mich schnell abgeschreckt: Familienunfreundliche Arbeitszeiten, ständiger Konkurrenzkampf, unflexibler Arbeitsablauf.
Noch vor den Prüfungen des 1. Semesters habe ich meine Meinung geändert, seitdem bin ich durch und durch Internist. Mit umso mehr Sörgen und Demotivation habe ich diese Woche mein Chirurgie-Tertial angefangen.
Nach dem Trubel und Hochbetrieb des Uniklinikums bin ich jetzt in einem kleinen Haus, wo es zwei orthopädische und eine allgemeinchirurgische Stationen sowie nur drei Säle für die beiden Fachrichtungen gibt. Umso größer war mein Erstauen, als sich herausstellte, dass auf diesem sehr überschaubaren Gebiet ganze sieben PJ-ler sich ihre Arbeit teilen sollen!
Zugegeben, es ist schon ziemlich eng. Zum Glück gibt es noch die Rettungsstelle, die durchgehend von einem Unfallchirurgen mitbetreut wird, dorthin habe ich mich für die ersten zwei Wochen verdrückt. Da kann ich wenigstens den allgemeinen Rettungsstellenbetrieb näher kennenlernen, was mir auch im späteren Berufsleben nützen wird. Auch wenn ich immer wieder stauen muss, dass Pflegeschüler dort offensichtlich einen höheren Status besitzen und viel mehr praktische Aufgaben und sogar Unterricht (!) bekommen, als ich, Studentin im letzten Jahr.
Es gibt also vieles, worauf ich mich nun neu einstellen muss. Ich tröste mich jetzt nur mit dem Gedanken, dass es das letzte Tertial sein wird, und dass die Zeit ebenfalls so schnell vorbei geht, wie in den ersten zwei.
Freitag, 5. April 2013
Woche 32. Auf Wiedersehen, Innere!
Der Abschied von der Inneren Medizin und von der ITS, wo ich die letzten vier Monate miterleben durfte, wie Menschenleben gerettet werden, ist mir genauso schwer gefallen, wie ich es immer dachte. Es tröstet mich nur der Gedanke, dass ich in vielleicht nicht mal einem Jahr in das Fach wiederkehren werden, und zwar als Ärztin.
Auf dieser ITS habe ich im 1. Semester meine ersten Patientengespräche geführt, damals noch recht schüchtern und unbeholfen. Im meiner ersten Famulatur legte ich dort auch meinen ersten venösen Zugang, und ich weiß immer noch, wie mir dabei die Hände gezittert haben! Im Blockpraktikum habe ich gemerkt, wie fortgeschritten im Studium ich inzwischen bin: Ich kannte schon viele Medikamente und verstand bei den Übergaben auch schon eine Menge.
Und nun schließt sich der Kreis. Ich bin als Küken gekommen, hatte Angst vor allen - Schwestern, Ärzten, Patienten - und gehe nun als "bald Ärztin", die jetzt schon als Kollegin angesehen wird. In der Zwischenzeit ist viel passiert: Bei den Patienten-, aber auch Angehörigengesprächen fühle ich mich viel sicherer, die Erfolgsrate bei den venösen Zugängen ist deutlich angestiegen, und auch arterielle Punktionen sind kein unberührtes Feld mehr. Ich kann mir jetzt viel besser vorstellen, wie es ist, eine Ärztin zu sein, und fühle mich dafür ebenfalls besser vorbereitet und ausgerüstet.
Kurz bevor ich am letzten Tag gegangen bin, rief auf der Station eine Frau an, um sich nach dem Befinden ihrer Schwester, die bei uns liegt, zu erkundigen. Am Anfang, als sie erfahren hat, dass ich eine Studentin bin, wollte sie lieber einen Arzt sprechen, doch es war in dem Moment keiner zu erreichen. Ich habe versucht, auf ihre Ängste und Sorgen einzugehen (dem fünfjährigen Interaktionsunterricht sei dank!), und es hat warhscheinlich so gut funktioniert, dass sie mich zum Abschied bewusst "Frau Doktor" nannte. Im Endeffekt liegt sie doch gar nicht so verkehrt - in nur nicht mal acht Monaten bin ich dann hoffentlich eine.
Auf dieser ITS habe ich im 1. Semester meine ersten Patientengespräche geführt, damals noch recht schüchtern und unbeholfen. Im meiner ersten Famulatur legte ich dort auch meinen ersten venösen Zugang, und ich weiß immer noch, wie mir dabei die Hände gezittert haben! Im Blockpraktikum habe ich gemerkt, wie fortgeschritten im Studium ich inzwischen bin: Ich kannte schon viele Medikamente und verstand bei den Übergaben auch schon eine Menge.
Und nun schließt sich der Kreis. Ich bin als Küken gekommen, hatte Angst vor allen - Schwestern, Ärzten, Patienten - und gehe nun als "bald Ärztin", die jetzt schon als Kollegin angesehen wird. In der Zwischenzeit ist viel passiert: Bei den Patienten-, aber auch Angehörigengesprächen fühle ich mich viel sicherer, die Erfolgsrate bei den venösen Zugängen ist deutlich angestiegen, und auch arterielle Punktionen sind kein unberührtes Feld mehr. Ich kann mir jetzt viel besser vorstellen, wie es ist, eine Ärztin zu sein, und fühle mich dafür ebenfalls besser vorbereitet und ausgerüstet.
Kurz bevor ich am letzten Tag gegangen bin, rief auf der Station eine Frau an, um sich nach dem Befinden ihrer Schwester, die bei uns liegt, zu erkundigen. Am Anfang, als sie erfahren hat, dass ich eine Studentin bin, wollte sie lieber einen Arzt sprechen, doch es war in dem Moment keiner zu erreichen. Ich habe versucht, auf ihre Ängste und Sorgen einzugehen (dem fünfjährigen Interaktionsunterricht sei dank!), und es hat warhscheinlich so gut funktioniert, dass sie mich zum Abschied bewusst "Frau Doktor" nannte. Im Endeffekt liegt sie doch gar nicht so verkehrt - in nur nicht mal acht Monaten bin ich dann hoffentlich eine.
Freitag, 29. März 2013
Woche 31. Der Trennungsschmerz
Diese Woche ist es mir endgültig klar geworden: Nur noch wenige Tage, dann muss ich mich von meiner Lieblings-ITS wahrscheinlich für immer verabschieden. Denn als Student werde ich wohl nie wieder kommen, und ob ich es als Arzt irgendwann mache - wer weiß?
Ich sehe, dass ich als Student auf der Station schon viele Vorteile genieße. Ich kann ruhig zugeben, dass ich irgendwas nicht weiß oder eben noch mal nachschlagen muss, ohne an Respekt zu verlieren. Ich kann mir (fast) immer aussuchen, worum ich mich kümmern möchte, und kann mich so geschickt um langweilige oder sinnlose Aufgaben drücken. Bei den Pflegenden genieße ich noch den "Welpenschutz", sodass wir uns meistens gut vertragen.
Man darf aber die andere Seite der Medaille nicht vergessen: Je schöner die vergangene Zeit, umso schwerer der Abschied. Und ich ahne jetzt schon: Er wird mir gar nicht so leicht fallen. Deshalb genieße ich jeden Moment, den ich in der vertrauten Umgebung zwischen den netten Menschen verbringe: Bald geht es in die gnadenlose Welt der Chirurgie über...
Ich sehe, dass ich als Student auf der Station schon viele Vorteile genieße. Ich kann ruhig zugeben, dass ich irgendwas nicht weiß oder eben noch mal nachschlagen muss, ohne an Respekt zu verlieren. Ich kann mir (fast) immer aussuchen, worum ich mich kümmern möchte, und kann mich so geschickt um langweilige oder sinnlose Aufgaben drücken. Bei den Pflegenden genieße ich noch den "Welpenschutz", sodass wir uns meistens gut vertragen.
Man darf aber die andere Seite der Medaille nicht vergessen: Je schöner die vergangene Zeit, umso schwerer der Abschied. Und ich ahne jetzt schon: Er wird mir gar nicht so leicht fallen. Deshalb genieße ich jeden Moment, den ich in der vertrauten Umgebung zwischen den netten Menschen verbringe: Bald geht es in die gnadenlose Welt der Chirurgie über...
Samstag, 23. März 2013
Woche 30. 56 Stunden
- das ist mein Arbeitspensum diese Woche (abgesehen vom Besuch, den ich momentan auch habe). So wie die Station die ersten drei Tage überbesetzt war, war sie am Donnerstag und Freitag unterbesetzt - eine Ärztin wurde krank, und ich musste wieder "wie eine Vollzeitkraft" einspringen.
Der Donnerstag war schon turbulent genug, zumal es neben der täglichen Visite auch sonst ordentlich zu tun gab. Am Freitag hätte ich meinen Studientag gehabt, um mich unter anderem auch vor dem Nachtdienst im Schlaflabor (mein Studentenjob seit fast drei Jahren) auszuruhen. Aber irgendwie hatte ich keine Ruhe bei dem Gedanken, dass eine einzige Ärztin, die ich dazu noch sehr nett finde und die immer und gerne viel erklärt, die ganze Station machen muss, sodass ich mir auch am Freitag einen vollen Arbeitstag angetan habe.
Es war mindestens genauso chaotisch, wie am Tag davor. Erschwerend kam hinzu, dass es einem Patienten nicht gut ging, und die besagte Ärztin sich fast die ganze Zeit nur um ihn kümmern musste. In der Zwischenzeit habe ich dem Oberarzt beim Tracheostomieren eines "meiner" Patienten geholfen, indem ich sein "Bronchoskopeur" (c) war, meine Patienten visitiert, tausend Sachen nebenbei erledigt und meinen Memo-Zettel vollkommen zugekritzelt, um nicht irgendetwas wichtiges zu vergessen.
Nach dem ersten Feierabend hatte ich fünf Stunden Zeit, um mich vor dem Nachtdienst zu erholen, der von 20 Uhr abends bis 7 Uhr morgens geht. 1,5 Stunden davon waren für dem Heim- und Arbeitsweg, 2 Stunden habe ich geschlafen, und nun ist mehr als die Hälfte des Dienstes vorbei und ich versuche mich für die restliche Zeit wach zu halten. Diese Woche habe ich so richtig den Eindruck bekommen, was der Arztberuf manchmal mit sich an Stress und Anstrengung alles bringen kann.
Zum Glück sieht es nächste Woche schon anders aus: Durch meinen heutigen Einsatz habe ich nicht nur die große Dankbarkeit der Ärzte, sondern auch einen freien Montag ergattert. Dienstag und Mittwoch bin ich auf Station, Donnerstag ist wieder der Notarzt-Tag. Freitag (hoffentlich) fürs Lernen und den Nachtdienst reserviert.
Danach bleibt mir wiederum nur noch eine Woche, und der Wechsel in die Chirurgie steht bevor. Einerseits sehr schade, denn so ein Arbeitsklima wie jetzt (wo ich mich wie eine Ärztin fühle und auch so behandelt werde) bekomme ich dort sicher nicht. Andererseits wird es mein letztes Tertial sein, die letzte Hürde vor der Zielgerade - dem Examen.
Der Donnerstag war schon turbulent genug, zumal es neben der täglichen Visite auch sonst ordentlich zu tun gab. Am Freitag hätte ich meinen Studientag gehabt, um mich unter anderem auch vor dem Nachtdienst im Schlaflabor (mein Studentenjob seit fast drei Jahren) auszuruhen. Aber irgendwie hatte ich keine Ruhe bei dem Gedanken, dass eine einzige Ärztin, die ich dazu noch sehr nett finde und die immer und gerne viel erklärt, die ganze Station machen muss, sodass ich mir auch am Freitag einen vollen Arbeitstag angetan habe.
Es war mindestens genauso chaotisch, wie am Tag davor. Erschwerend kam hinzu, dass es einem Patienten nicht gut ging, und die besagte Ärztin sich fast die ganze Zeit nur um ihn kümmern musste. In der Zwischenzeit habe ich dem Oberarzt beim Tracheostomieren eines "meiner" Patienten geholfen, indem ich sein "Bronchoskopeur" (c) war, meine Patienten visitiert, tausend Sachen nebenbei erledigt und meinen Memo-Zettel vollkommen zugekritzelt, um nicht irgendetwas wichtiges zu vergessen.
Nach dem ersten Feierabend hatte ich fünf Stunden Zeit, um mich vor dem Nachtdienst zu erholen, der von 20 Uhr abends bis 7 Uhr morgens geht. 1,5 Stunden davon waren für dem Heim- und Arbeitsweg, 2 Stunden habe ich geschlafen, und nun ist mehr als die Hälfte des Dienstes vorbei und ich versuche mich für die restliche Zeit wach zu halten. Diese Woche habe ich so richtig den Eindruck bekommen, was der Arztberuf manchmal mit sich an Stress und Anstrengung alles bringen kann.
Zum Glück sieht es nächste Woche schon anders aus: Durch meinen heutigen Einsatz habe ich nicht nur die große Dankbarkeit der Ärzte, sondern auch einen freien Montag ergattert. Dienstag und Mittwoch bin ich auf Station, Donnerstag ist wieder der Notarzt-Tag. Freitag (hoffentlich) fürs Lernen und den Nachtdienst reserviert.
Danach bleibt mir wiederum nur noch eine Woche, und der Wechsel in die Chirurgie steht bevor. Einerseits sehr schade, denn so ein Arbeitsklima wie jetzt (wo ich mich wie eine Ärztin fühle und auch so behandelt werde) bekomme ich dort sicher nicht. Andererseits wird es mein letztes Tertial sein, die letzte Hürde vor der Zielgerade - dem Examen.
Freitag, 15. März 2013
Woche 29. Hose runter!
Als wir im 1. Semester zu einer unserer ersten praktischen Übungen (eine gängige Unterrichtsmethode im Reformstudiengang, für alle anderen - sowas wie UAK) auf einer ITS waren, haben wir auch eine Patientin besucht, die uns von ihrem Leiden erzählte. Ihre Diagnose weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich noch deutlich daran, wie eine Mitstudentin empört war, weil sie den nötigen Respekt gegenüber der Patientin beim dort gewesenen Personal vermisst hatte: "Sie lag da so vor uns, und ich konnte voll in ihren Schambereich blicken! Was denken sie sich denn?"
Leider ist es ziemlich häufig in der Medizin, dass aufgrund mangelnder Zeit oder fehlender Einsicht Patienten häufig wie Maschinen behandelt werden, ohne Rücksich auf ihre Privatsphäre. Im Krankenhaus gibt es praktisch nichts davon: Erstens, liegen nicht alle in einem Einzelzimmer. Zweitens, gibt es keine Garantie, dass im nächsten Moment nicht jemand hereingeplatzt kommt, ohne vorher zu klopfen. Den gewöhnlichen Tagesablauf zu Hause muss man über den Haufen werfen. Du gehst später ins Bett, schläfst dafür am Morgen länger? Kannst Du vergessen, um 6 Uhr morgens werden bei jedem Temperatur und Blutdruck gemessen, und danach kommt Frühstück. Wenn Du Dich damit schwer tust, ist es eben Dein Problem.
Ebenfalls bei den Untersuchungen: Bekanntermaßen tragen die Patienten vom Krankenhaus gestellte Nachthemde, die meistens noch kaputte Knöpfe haben und sich nicht zumachen lassen, Unterwäsche muss weg bleiben. Manche Ärzte haben kein Problem damit, einem im Bett liegenden Patienten ohne zu fragen sein Hemd bis zu dem Unterkiefer hochzuziehen, um den Bauch abzuhorchen. Nur wenige denken daran, wenigstens seinen Schambereich mit einem Tuch abzudecken, auch nicht, wenn noch eine Herde Studenten dabei ist.
Ich bin dafür, dass jeder Mensch auch im Krankenhaus ein Mensch bleiben kann. Und da gehört eben die Privatsphäre auch dazu. Deshalb ist es so wichtig, jedes Mal zu klopfen, wenn man in ein fremdes Zimmer geht, oder mal in eine andere Richtung zu schauen, wenn der Patient sich gerade zur Untersuchung auszieht. Denn so oder so, früher oder später müssen wir alle auf die andere Seite der Nadel wechseln und werden auch Patienten sein.
Leider ist es ziemlich häufig in der Medizin, dass aufgrund mangelnder Zeit oder fehlender Einsicht Patienten häufig wie Maschinen behandelt werden, ohne Rücksich auf ihre Privatsphäre. Im Krankenhaus gibt es praktisch nichts davon: Erstens, liegen nicht alle in einem Einzelzimmer. Zweitens, gibt es keine Garantie, dass im nächsten Moment nicht jemand hereingeplatzt kommt, ohne vorher zu klopfen. Den gewöhnlichen Tagesablauf zu Hause muss man über den Haufen werfen. Du gehst später ins Bett, schläfst dafür am Morgen länger? Kannst Du vergessen, um 6 Uhr morgens werden bei jedem Temperatur und Blutdruck gemessen, und danach kommt Frühstück. Wenn Du Dich damit schwer tust, ist es eben Dein Problem.
Ebenfalls bei den Untersuchungen: Bekanntermaßen tragen die Patienten vom Krankenhaus gestellte Nachthemde, die meistens noch kaputte Knöpfe haben und sich nicht zumachen lassen, Unterwäsche muss weg bleiben. Manche Ärzte haben kein Problem damit, einem im Bett liegenden Patienten ohne zu fragen sein Hemd bis zu dem Unterkiefer hochzuziehen, um den Bauch abzuhorchen. Nur wenige denken daran, wenigstens seinen Schambereich mit einem Tuch abzudecken, auch nicht, wenn noch eine Herde Studenten dabei ist.
Ich bin dafür, dass jeder Mensch auch im Krankenhaus ein Mensch bleiben kann. Und da gehört eben die Privatsphäre auch dazu. Deshalb ist es so wichtig, jedes Mal zu klopfen, wenn man in ein fremdes Zimmer geht, oder mal in eine andere Richtung zu schauen, wenn der Patient sich gerade zur Untersuchung auszieht. Denn so oder so, früher oder später müssen wir alle auf die andere Seite der Nadel wechseln und werden auch Patienten sein.
Freitag, 8. März 2013
Woche 28. Schicksale der Menschen
Es ist unabdingbar, Menschengeschichten zu erfahren, wenn man in einem dermaßen sozialen Beruf wie Medizin tätig ist. Auf den ersten Blick gewöhnliche Leute zeigen vollkommen unerwartete spannende Seiten, sobald mal etwas tiefer gräbt.
Da gibt es zum Beispiel einen 83-jährigen Mann, der neulich seinen 100. Tag auf der Intensivstation "gefeiert" hat. Drei Monate lang musste er vom Gerät beim Atmen unterstützt werden, endlich kann er das selber probieren, bekommt auch seine Stimme zurück und erzählt, dass er mit seiner Frau über 50 Jahren glücklich verheiratet war, und alle Freunde wunderten sich und fragten, wie sie das machten, wobei das Geheimnis einfach ist: "Man muss auch in der Beziehung ein Mensch bleiben".
Es gibt auch einen anderen Mann, gerade 32-jährigen. Vor einigen Jahren hat er Krebs bekommen und sein Brustkorb musste bestrahlt werden. Der Krebs ging weg, aber sein Herz hat dabei extrem gelitten und 3/4 seiner Funktion verloren. Als dieses Jahr die Grippe wieder rumging, hat es ihn voll erwischt: Influenza-Pneumonie, später noch mit Pneumokokken dazu. Seit Mitte Januar ist er auf unserer Station, die Ärzte kämpfen mit allen erdenklichen Mitteln um sein Leben. Die Besserung bleibt leider trotzdem aus, seine Lunge baut sich wegen der künstlichen Beatmung langsam zu Bindegewebe um. Die Prognose ist also infaust, und das bei einem so jungen Mann. Dass er dabei noch allenerziehender Vater eines fünfjährigen Kind ist, raubt uns allen die Sprache.
Ein Gegenbeispiel kann unser neuer Patient liefern, der gerage diese Woche aufgenommen wurde. Ein ebenfalls junger, 33-jähriger. Er liegt auch im künstlichen Koma, ist intubiert. Seine Leber fällt langsam auseinander, vom Hepatits B und Hepatitis C gefressen. Eine Pankreatitis hatte er auch schon, jetzt ist er vor allem wegen der Pneumonie da. HIV ist noch nicht ausgeschlossen. Der Grund für sein Leiden: Exzessiver Alkohol- und Heroinkonsum. Seine Familie: Lauter Akademiker, Vater Arzt, Bruder Professor.
Es gäbe noch viel mehr zu erzählen, schließlich ist jeder Mensch einzigartig, und seine Geschichte nur einmalig. Und das bedeutet, dass wir von unseren Patienten auch eine Menge lernen können.
Da gibt es zum Beispiel einen 83-jährigen Mann, der neulich seinen 100. Tag auf der Intensivstation "gefeiert" hat. Drei Monate lang musste er vom Gerät beim Atmen unterstützt werden, endlich kann er das selber probieren, bekommt auch seine Stimme zurück und erzählt, dass er mit seiner Frau über 50 Jahren glücklich verheiratet war, und alle Freunde wunderten sich und fragten, wie sie das machten, wobei das Geheimnis einfach ist: "Man muss auch in der Beziehung ein Mensch bleiben".
Es gibt auch einen anderen Mann, gerade 32-jährigen. Vor einigen Jahren hat er Krebs bekommen und sein Brustkorb musste bestrahlt werden. Der Krebs ging weg, aber sein Herz hat dabei extrem gelitten und 3/4 seiner Funktion verloren. Als dieses Jahr die Grippe wieder rumging, hat es ihn voll erwischt: Influenza-Pneumonie, später noch mit Pneumokokken dazu. Seit Mitte Januar ist er auf unserer Station, die Ärzte kämpfen mit allen erdenklichen Mitteln um sein Leben. Die Besserung bleibt leider trotzdem aus, seine Lunge baut sich wegen der künstlichen Beatmung langsam zu Bindegewebe um. Die Prognose ist also infaust, und das bei einem so jungen Mann. Dass er dabei noch allenerziehender Vater eines fünfjährigen Kind ist, raubt uns allen die Sprache.
Ein Gegenbeispiel kann unser neuer Patient liefern, der gerage diese Woche aufgenommen wurde. Ein ebenfalls junger, 33-jähriger. Er liegt auch im künstlichen Koma, ist intubiert. Seine Leber fällt langsam auseinander, vom Hepatits B und Hepatitis C gefressen. Eine Pankreatitis hatte er auch schon, jetzt ist er vor allem wegen der Pneumonie da. HIV ist noch nicht ausgeschlossen. Der Grund für sein Leiden: Exzessiver Alkohol- und Heroinkonsum. Seine Familie: Lauter Akademiker, Vater Arzt, Bruder Professor.
Es gäbe noch viel mehr zu erzählen, schließlich ist jeder Mensch einzigartig, und seine Geschichte nur einmalig. Und das bedeutet, dass wir von unseren Patienten auch eine Menge lernen können.
Freitag, 1. März 2013
Woche 27. Cui bono?
Vor 1-2 Jahren habe ich mal ein Interview mit Philipp Rösler gelesen, als er noch Gesundheitsminister war. Die Journalistin erwähnte das Thema des praktischen Jahres und seiner Vergütung. Darauf kam die Antwort: Das praktische Jahr sei ein Teil des Studiums, das Hauptziel solle im Erlernen praktischer Fertigkeiten liegen, und eine Vergütung sei damit überflüssig.
Damals schon fand ich die Antwort unmöglich. Meine nächste Frage wäre "Was tun, wenn es auf der Station keinen Unterricht gibt?" gewesen.
Diese Woche habe ich viel über dieses Thema nachgedacht. Klar, einerseits kann ich es schon verkraften, dass meine Uni jegliche finanzielle Unterstützung ihrer PJ-ler vehement ablehnt und es sogar den Lehrkrankenhäusern verbietet. Dabei sind Studenten hier voll eingeplante Arbeitskräfte, machen viel, werden praktisch wie Ärzte eingesetzt, und wenn irgendwo auf einmal einer fehlt, bricht die Stationsarbeit beinahe zusammen.
Ich sehe es ein, dass ich noch Studentin bin und viel lernen muss. Ich verzichte gerne auf Bezahlung, wenn ich dafür vernünftigen Unterricht und Lehrvisiten bekomme, es ist eben ein Prozess des Gebens und Nehmens. Dass ich dabei auf der Station nicht nutzlos rumsitze, sondern den Ärzten einen ordentlichen Teil ihrer Arbeit abnehme, ist ebenfalls klar.
Das Problem ist aber, dass eben viele Ärzte ihren Teil der Abmachung vergessen. Statt Lehrvisiten kriege ich noch mehr Aufgaben: "Mach mal schnell eine BGA", "Schreib doch noch ein EKG im Zimmer 11", "Gehst Du jetzt das Sono-Gerät von der Nachbarstation holen?" usw. Manche scheuen sich nicht mal davor, mich mit solchen und ähnlichen Sachen zu überrumpeln, während sie sich selbst schon für den Feierabend umgezogen haben und bereits in der Tür stehen. Sich am nächsten Tag dafür bedanken? Nie gehört.
Klar, nicht alle sind so. Einer meiner Lieblingsärzte, der besonders gerne Lehrvisiten macht, sagte mal zu mir: "Meine Motivation für die Lehre ist ganz einfach: In 20 Jahre liege ich selber auf der Station, und Ihr müsst mich behandeln. Es ist praktisch wie eine Investition in die Zukunft".
Es ist nur schade, dass nicht alle seiner Meinung sind. Oder sie denken vielleicht nicht an die Zukunft? Ich tue es auf jeden Fall: Nur noch 7 Monate bis zur Prüfung...
Damals schon fand ich die Antwort unmöglich. Meine nächste Frage wäre "Was tun, wenn es auf der Station keinen Unterricht gibt?" gewesen.
Diese Woche habe ich viel über dieses Thema nachgedacht. Klar, einerseits kann ich es schon verkraften, dass meine Uni jegliche finanzielle Unterstützung ihrer PJ-ler vehement ablehnt und es sogar den Lehrkrankenhäusern verbietet. Dabei sind Studenten hier voll eingeplante Arbeitskräfte, machen viel, werden praktisch wie Ärzte eingesetzt, und wenn irgendwo auf einmal einer fehlt, bricht die Stationsarbeit beinahe zusammen.
Ich sehe es ein, dass ich noch Studentin bin und viel lernen muss. Ich verzichte gerne auf Bezahlung, wenn ich dafür vernünftigen Unterricht und Lehrvisiten bekomme, es ist eben ein Prozess des Gebens und Nehmens. Dass ich dabei auf der Station nicht nutzlos rumsitze, sondern den Ärzten einen ordentlichen Teil ihrer Arbeit abnehme, ist ebenfalls klar.
Das Problem ist aber, dass eben viele Ärzte ihren Teil der Abmachung vergessen. Statt Lehrvisiten kriege ich noch mehr Aufgaben: "Mach mal schnell eine BGA", "Schreib doch noch ein EKG im Zimmer 11", "Gehst Du jetzt das Sono-Gerät von der Nachbarstation holen?" usw. Manche scheuen sich nicht mal davor, mich mit solchen und ähnlichen Sachen zu überrumpeln, während sie sich selbst schon für den Feierabend umgezogen haben und bereits in der Tür stehen. Sich am nächsten Tag dafür bedanken? Nie gehört.
Klar, nicht alle sind so. Einer meiner Lieblingsärzte, der besonders gerne Lehrvisiten macht, sagte mal zu mir: "Meine Motivation für die Lehre ist ganz einfach: In 20 Jahre liege ich selber auf der Station, und Ihr müsst mich behandeln. Es ist praktisch wie eine Investition in die Zukunft".
Es ist nur schade, dass nicht alle seiner Meinung sind. Oder sie denken vielleicht nicht an die Zukunft? Ich tue es auf jeden Fall: Nur noch 7 Monate bis zur Prüfung...
Freitag, 22. Februar 2013
Woche 26. Tatütata
Wagen mit Blaulicht, die sicher und souverän ihren Weg durch die überfüllten Straßen einer Stadt finden, ziehen immer Blicke auf sich. Wenn ich einen Rettungswagen oder einen Notarztwagen mit Blaulicht sehe, versuche ich mir immer vorzustellen, was sich hinter den blickdichten Fenstern wohl abspielen mag.
Und ich freue mich, dass ich schon einige Male dabei sein durfte. Seit dem 9. Semester fahre ich immer wieder mit dem Notarzt mit und habe dabei schon einige spannende Geschichten erlebt.
Ein Vorteil der Arbeit auf meiner jetzigen Intensivstation ist, dass solche Hospitationen nun als Arbeitszeit gelten, man darf nur nicht damit übertreiben. Gestern habe ich meine Chance wieder genutzt.
Wir hatten viele interessante Einsätze. Zwei sind mir besonders in Erinnerung geblieben: Bei einem ging es um einen kleinen, gerade mal ein Jahr alten Jungen, wegen dem wir durch die ganze Stadt über 30 Minuten fahren mussten und der diese ganze Zeit zu Hause gekrampft hat. Es war ein Fieberkrampf, der Kleine hatte eine Erkältung und seine Körpertemperatur betrug 39°C. Die Mutter war außer sich vor Sorge, vor Ort versuchten alle sie zu beruhigen.
Wir mussten weitere 15 Minuten fahren, um zum nächsten Krankenhaus mit einer Kinderabteilung zu gelangen. Der Arzt versuchte, die Mutter von den Sorgen abzulenken und erzählte ihr von seiner eigenen Tochter, die am selben Tag Geburtstag hatte, wie der Kleine, nur eben "vor 30 Jahren".
Ein anderer Fall bescherte mich mit einer besonderen Entdeckung: Ich hatte es nie gewusst, dass es im Hauptbahnhof eine Polizeiwache gibt! Dorthin wurden wir gegen das Ende der Schicht gerufen. Ich habe vorher noch nie eine Wache von innen gesehen, es war voll wie im "Tatort"!
Unser Ziel war eine Ausnüchterungszelle, unser Patient ein Pole ohne festen Wohnsitz, dafür mit einem Haftbefehl. Ein paar Polizisten wollten auf dem Bahnhof seine Papiere kontrollieren, dabei ist er handgreiflich geworden. Sie haben ihn festgenommen und in die Zelle gebracht, dort ist er zusammen gebrochen, und ein Notarzt wurde gerufen. Vor Ort konnten wir keine schwerwiegende Krankheit und auch keinen Notfall feststellen, der Mann war schlichtweg voll betrunken. Als wir da waren, ist er etwas wacher geworden und hat alle um sich herum beschimpft.
Der Notarzt sah keinen Handlungsbedarf, wir sind wieder weggefahren. 20 Minuten später kam erneut ein Alarm, aus der selben Wache. Nun sei der Mann erneut bewusstlos geworden und habe auf dem Boden gekrampft. Wir fanden ihn entspannt auf dem Boden liegend vor, er konnte ohne große Umstände wieder geweckt werden. Da die Polizisten sich damit überfordert fühlten, hat der Arzt entschieden, dass der Patient nun doch ins Krankenhaus soll. Er ist im Rettungswagen in Polizeibegleitung weggefahren worden.
Das war mein letzter Einsatz. Ich wäre gerne noch länger geblieben, aber nach 12 Stunden Schicht muss auch irgendwann mal Schluss sein. Umso mehr freue ich mich aufs nächste Mal mit Blaulicht und Tatütata.
Und ich freue mich, dass ich schon einige Male dabei sein durfte. Seit dem 9. Semester fahre ich immer wieder mit dem Notarzt mit und habe dabei schon einige spannende Geschichten erlebt.
Ein Vorteil der Arbeit auf meiner jetzigen Intensivstation ist, dass solche Hospitationen nun als Arbeitszeit gelten, man darf nur nicht damit übertreiben. Gestern habe ich meine Chance wieder genutzt.
Wir hatten viele interessante Einsätze. Zwei sind mir besonders in Erinnerung geblieben: Bei einem ging es um einen kleinen, gerade mal ein Jahr alten Jungen, wegen dem wir durch die ganze Stadt über 30 Minuten fahren mussten und der diese ganze Zeit zu Hause gekrampft hat. Es war ein Fieberkrampf, der Kleine hatte eine Erkältung und seine Körpertemperatur betrug 39°C. Die Mutter war außer sich vor Sorge, vor Ort versuchten alle sie zu beruhigen.
Wir mussten weitere 15 Minuten fahren, um zum nächsten Krankenhaus mit einer Kinderabteilung zu gelangen. Der Arzt versuchte, die Mutter von den Sorgen abzulenken und erzählte ihr von seiner eigenen Tochter, die am selben Tag Geburtstag hatte, wie der Kleine, nur eben "vor 30 Jahren".
Ein anderer Fall bescherte mich mit einer besonderen Entdeckung: Ich hatte es nie gewusst, dass es im Hauptbahnhof eine Polizeiwache gibt! Dorthin wurden wir gegen das Ende der Schicht gerufen. Ich habe vorher noch nie eine Wache von innen gesehen, es war voll wie im "Tatort"!
Unser Ziel war eine Ausnüchterungszelle, unser Patient ein Pole ohne festen Wohnsitz, dafür mit einem Haftbefehl. Ein paar Polizisten wollten auf dem Bahnhof seine Papiere kontrollieren, dabei ist er handgreiflich geworden. Sie haben ihn festgenommen und in die Zelle gebracht, dort ist er zusammen gebrochen, und ein Notarzt wurde gerufen. Vor Ort konnten wir keine schwerwiegende Krankheit und auch keinen Notfall feststellen, der Mann war schlichtweg voll betrunken. Als wir da waren, ist er etwas wacher geworden und hat alle um sich herum beschimpft.
Der Notarzt sah keinen Handlungsbedarf, wir sind wieder weggefahren. 20 Minuten später kam erneut ein Alarm, aus der selben Wache. Nun sei der Mann erneut bewusstlos geworden und habe auf dem Boden gekrampft. Wir fanden ihn entspannt auf dem Boden liegend vor, er konnte ohne große Umstände wieder geweckt werden. Da die Polizisten sich damit überfordert fühlten, hat der Arzt entschieden, dass der Patient nun doch ins Krankenhaus soll. Er ist im Rettungswagen in Polizeibegleitung weggefahren worden.
Das war mein letzter Einsatz. Ich wäre gerne noch länger geblieben, aber nach 12 Stunden Schicht muss auch irgendwann mal Schluss sein. Umso mehr freue ich mich aufs nächste Mal mit Blaulicht und Tatütata.
Freitag, 15. Februar 2013
Woche 25. Der Höhenflug
Diese Woche war echt voll der Hammer! Angefangen damit, dass am Montag einer der Zweitdienste fehlte und ich praktisch dafür einspringen musste. Zusammen mit dem Arzt im ersten Dienst sind wir direkt nach der Frühbesprechung durch alle Zimmer durchgegangen und haben uns dann die Station aufgeteilt, jeder hatte sechs Patienten zu visitieren, ganz wie im echten Leben!
Eine kleine Erklärung: Die gesamte Intensivstation hat 24 Betten, sie werden zwei "Unterstationen" zugeordnet, von denen jede durch zwei Ärzte betreut wird, einen erfahrenen, der den "ersten Dienst" und damit das Sagen hat, und einem mal mehr mal weniger Anfänger, der meistens noch Assistenzarzt ist und / oder von einer anderen Station als Rotand kommt. Sie teilen die Unterstation so, dass jeder die Hälfte der Patienten versorgt, und wenn Probleme auftauchen, werden sie von den beiden gemeinsam gelöst.
Der Tag fängt damit an, dass die beiden Ärzte nach der Frühbesprechung und Übergabe erst mal gemeinsam durch alle Zimmer gehen und sich einen Plan für die Schicht ausdenken. Was fällt heute an? Was müssen wir unbedingt machen? Schau mal, 10 mg Torem bringen nichts, wir erhöhen die Dosis auf 20.
Danach visitiert jeder nochmal einzeln seine Patienten, das heißt alle werden untersucht, die Medikamente müssen angepasst und das Labor für morgen zusammengestellt werden. Wenn Beatmung noch eine Rolle spielt, überlegt man sich, wie sie zu optimieren ist. Wenn Untersuchungen anstehen, muss man sie anmelden und danach die Befunde würdigen.
Um 12.30 treffen sich beide Ärzte mit dem Oberarzt und dem Chefarzt zur täglichen Chefvisite. Patienten werden vorgestellt, Geschehnisse des Tages berichtet und Therapieüberlegungen erläutert. Es ist ein echtes Teamspiel, denn alleine ist man auf der ITS verloren.
Am Montag konnte ich also voll erleben, wie sich ein frischgebackener Assistenzarzt fühlt. Klar, visitiert habe ich ja schon von Anfang an, dabei konnte ich mir aber immer viel Zeit lassen. Mir wurde schnell klar, dass ich systematisch vorgehen muss, um an alles zu denken und nicht etwas wichtiges zu verpassen.
Das habe ich Endeffekt doch noch geschafft: Die halbe Visite durchgeführt. Klar, der andere Arzt war schon längst fertig und hat noch nebenbei sonografiert, zwei ZVKs gelegt und einen Patienten entlassen. Ich war aber trotzdem stolz auf mich: Mein erster Schnuppertag als "bald Ärztin".
Der Spaß hielt an: Am Mittwoch habe ich meinen allerersten ZVK gelegt (in nur 30 Minuten), und am Donnerstag bekam ich sogar Lob von einer Krankenschwester. Schade, dass diese fünf Tage nun vorbei sind: Es war echt die perfekte Woche!
Eine kleine Erklärung: Die gesamte Intensivstation hat 24 Betten, sie werden zwei "Unterstationen" zugeordnet, von denen jede durch zwei Ärzte betreut wird, einen erfahrenen, der den "ersten Dienst" und damit das Sagen hat, und einem mal mehr mal weniger Anfänger, der meistens noch Assistenzarzt ist und / oder von einer anderen Station als Rotand kommt. Sie teilen die Unterstation so, dass jeder die Hälfte der Patienten versorgt, und wenn Probleme auftauchen, werden sie von den beiden gemeinsam gelöst.
Der Tag fängt damit an, dass die beiden Ärzte nach der Frühbesprechung und Übergabe erst mal gemeinsam durch alle Zimmer gehen und sich einen Plan für die Schicht ausdenken. Was fällt heute an? Was müssen wir unbedingt machen? Schau mal, 10 mg Torem bringen nichts, wir erhöhen die Dosis auf 20.
Danach visitiert jeder nochmal einzeln seine Patienten, das heißt alle werden untersucht, die Medikamente müssen angepasst und das Labor für morgen zusammengestellt werden. Wenn Beatmung noch eine Rolle spielt, überlegt man sich, wie sie zu optimieren ist. Wenn Untersuchungen anstehen, muss man sie anmelden und danach die Befunde würdigen.
Um 12.30 treffen sich beide Ärzte mit dem Oberarzt und dem Chefarzt zur täglichen Chefvisite. Patienten werden vorgestellt, Geschehnisse des Tages berichtet und Therapieüberlegungen erläutert. Es ist ein echtes Teamspiel, denn alleine ist man auf der ITS verloren.
Am Montag konnte ich also voll erleben, wie sich ein frischgebackener Assistenzarzt fühlt. Klar, visitiert habe ich ja schon von Anfang an, dabei konnte ich mir aber immer viel Zeit lassen. Mir wurde schnell klar, dass ich systematisch vorgehen muss, um an alles zu denken und nicht etwas wichtiges zu verpassen.
Das habe ich Endeffekt doch noch geschafft: Die halbe Visite durchgeführt. Klar, der andere Arzt war schon längst fertig und hat noch nebenbei sonografiert, zwei ZVKs gelegt und einen Patienten entlassen. Ich war aber trotzdem stolz auf mich: Mein erster Schnuppertag als "bald Ärztin".
Der Spaß hielt an: Am Mittwoch habe ich meinen allerersten ZVK gelegt (in nur 30 Minuten), und am Donnerstag bekam ich sogar Lob von einer Krankenschwester. Schade, dass diese fünf Tage nun vorbei sind: Es war echt die perfekte Woche!
Freitag, 8. Februar 2013
Woche 24. Halbzeit
Die Zeit ist tatsächlich wie im Zug vergangen. Mit dieser Woche habe ich die erste Halbzeit meines PJs abgeschlossen.
Es ist wirklich unglaublich. Ich merke, wie ich langsam im Alltag des Arztberufes ankomme und mir wichtige praktische Fähigkeiten aneigne: Wenn man auf einer neuen Station anfängt, ist es empfehlenswert, sich allen, inklusive pflegerischen Personals, vorzustellen. Eine eigene Telefonliste ist von sehr großer Bedeutung. Es ist wichtig, am ersten Tag zu fragen, wo die Personaltoiletten sind. Wenn man irgendeinen Abstrich zur Virologie verschickt, niemals ein Agar-Röhrchen dafür verwenden!
Solche und ähnliche Sachen haben in meinem Kopf schon ihren Platz gefunden. Und ich bin gespannt, was da noch dazu kommen wird - wie im Laufe diesen Jahres, so auch Jahrzehnte später. Denn Ihr wisst alle, und es bestätigt sich jeden Tag, Arztberuf ist gleich lebenslanges Lernen.
Mein Lernprozess fängt gerade erst an. Ich fühle mich wie ein Kind, das gerade die Welt entdeckt. Mit jedem neu gelesenen Kapitel im Lehrbuch oder einem Tag auf Station kommen neue Puzzle-Stückchen und legen sich zu einem Bild zusammen. Und ich kann Euch sagen - es ist wirklich wunderschön.
Es ist wirklich unglaublich. Ich merke, wie ich langsam im Alltag des Arztberufes ankomme und mir wichtige praktische Fähigkeiten aneigne: Wenn man auf einer neuen Station anfängt, ist es empfehlenswert, sich allen, inklusive pflegerischen Personals, vorzustellen. Eine eigene Telefonliste ist von sehr großer Bedeutung. Es ist wichtig, am ersten Tag zu fragen, wo die Personaltoiletten sind. Wenn man irgendeinen Abstrich zur Virologie verschickt, niemals ein Agar-Röhrchen dafür verwenden!
Solche und ähnliche Sachen haben in meinem Kopf schon ihren Platz gefunden. Und ich bin gespannt, was da noch dazu kommen wird - wie im Laufe diesen Jahres, so auch Jahrzehnte später. Denn Ihr wisst alle, und es bestätigt sich jeden Tag, Arztberuf ist gleich lebenslanges Lernen.
Mein Lernprozess fängt gerade erst an. Ich fühle mich wie ein Kind, das gerade die Welt entdeckt. Mit jedem neu gelesenen Kapitel im Lehrbuch oder einem Tag auf Station kommen neue Puzzle-Stückchen und legen sich zu einem Bild zusammen. Und ich kann Euch sagen - es ist wirklich wunderschön.
Freitag, 1. Februar 2013
Woche 23. Dr. House wanted!
Als ich damals im ersten Semester den Dr. House für mich entdeckt hatte, beschlich mich das unangenehme Gefühl, zu wenig zu wissen. Denn genau so habe ich mir damals die Arbeit als Ärztin vorgestellt: Ein Patient wird eingeliegert, Du nimmt eine Flipchart, zwei Stifte, überlegst einen Moment und lieferst die Diagnose. Am Ende der Folge wird der Patient gesund, und Du genießt den Ruhm.
Meine Sorge war, dass ich eben zu wenig weiß, um den Schritt mit der Flipchart übernehmen zu können. "Was werden die anderen über mich denken, wenn ich die richtige Diagnose nicht auf Anhieb sagen kann?" Der echte klinische Alltag, wo man praktisch nie alleine ist und immer im Team arbeitet, war mir damals gar nicht so richtig präsent.
In dieser Woche habe ich aber richtig erlebt, dass Ärzte auch mal mit ihrem Latein am Ende sein können. "Warum hat der Patient nun Durchfälle? Wir haben doch alles gecheckt!" "Wo kommt diese Hämolyse her?" "Woher die Fragmentozyten? Die Rekap-Zeit ist im Normbereich, mit der Milz ist alles okay." "Warum ist der pH so niedrig? Von einer vierminütigen Rea kriegt man doch keine derartige Laktatazidose!" Die Krönung von alledem ist der Fall eines vietnamesischen Patienten, der alleine in die Notaufnahme kam und dort umgekippt ist, weil sein Säure-Basen-Haushalt aus den Rudern geraten ist. Warum? Keiner weiß.
Wir brauchen also dringend die Hilfe vom berühmtesten TV-Doktor aller Zeiten. Lieber Dr. House, Sie können sich gerne bei uns melden. Als Belohnung gibt es Kekse, kostenlose Auftritte in der täglichen Chefvisite und unsere ewige Dankbarkeit.
PS: Über ein Autogramm wären wir alle auch sehr erfreut!
Meine Sorge war, dass ich eben zu wenig weiß, um den Schritt mit der Flipchart übernehmen zu können. "Was werden die anderen über mich denken, wenn ich die richtige Diagnose nicht auf Anhieb sagen kann?" Der echte klinische Alltag, wo man praktisch nie alleine ist und immer im Team arbeitet, war mir damals gar nicht so richtig präsent.
In dieser Woche habe ich aber richtig erlebt, dass Ärzte auch mal mit ihrem Latein am Ende sein können. "Warum hat der Patient nun Durchfälle? Wir haben doch alles gecheckt!" "Wo kommt diese Hämolyse her?" "Woher die Fragmentozyten? Die Rekap-Zeit ist im Normbereich, mit der Milz ist alles okay." "Warum ist der pH so niedrig? Von einer vierminütigen Rea kriegt man doch keine derartige Laktatazidose!" Die Krönung von alledem ist der Fall eines vietnamesischen Patienten, der alleine in die Notaufnahme kam und dort umgekippt ist, weil sein Säure-Basen-Haushalt aus den Rudern geraten ist. Warum? Keiner weiß.
Wir brauchen also dringend die Hilfe vom berühmtesten TV-Doktor aller Zeiten. Lieber Dr. House, Sie können sich gerne bei uns melden. Als Belohnung gibt es Kekse, kostenlose Auftritte in der täglichen Chefvisite und unsere ewige Dankbarkeit.
PS: Über ein Autogramm wären wir alle auch sehr erfreut!
Freitag, 25. Januar 2013
Woche 22. An die Grenzen gehen
Das eine Bild vom Arzt und Arztberuf, das jedem wohl präsent ist, ist das von einem Heiler, ja von einem Halbgott in Weiß.
Was passiert aber, wenn die Therapie nicht einschlägt und der Patient trotz aller Bemühungen stirbt? Oder eine andere Situation, zu der vielleicht jeder ein Beispiel aus dem klinischen oder auch familiären Alltag hat: Der 98-jähriger Uropa aus dem Pflegeheim ist synkopiert, wird in die Notaufnahme eingeliefert und soll nun eine neue Herzklappe bekommen.
Wir lernen im Studium sehr gut, wie man mit kranken Menschen umgehen muss, um ihnen zu helfen und sie zu heilen. Differentialdiagnosen, Bildgebung, aufwendige Laborparameter - modernste Technologien in Diagnostik und Therapie. Was im Studium allerdings definitiv viel zu kurz vorkommt, ist der Umgang mit dem Tod. Denn ob wir das wollen oder nicht, er ist nun das logische Ende jedes einzelnen Lebens, und ihm ist bisher keiner entkommen.
Doch wir ziehen unsere weißen Kittel an und glauben, dadurch viel mächtiger geworden zu sein. Keine Frage, in vielen Situationen klappt es mit unserer Überredungskunst, und der Tod gibt nach. Aber früher oder später kommt der Moment, da müssen wir eine Decke über unseren Patienten ziehen und den Totenschein ausfüllen.
Wie geht man mit dieser Erfahrung um? Wie kann man den Moment erkennen, wo alle Anstrengungen keinen Sinn mehr ergeben und man den Patienten einfach in Ruhe lassen soll? Viele Studenten und junge Ärzte haben es nie gelernt, dass irgendwann Schluss sein muss, und dann häufen sich unzählige Eingriffe auf höchstem Niveau bei einem schon sehr alten Patienten, der ein erfülltes Leben hatte und nun nur eins wünscht, im Frieden zu sterben.
Angetrieben von den Maschinen, muss er aber weiter leben, sein Herz wird vom Schrittmacher stimuliert, die Atembewegungen kommen durch den Druckunterschied, vom Beatmungsgerät erzeugt, und die Nierenfunktion übernimmt die Dialyse. Sterben ist unmöglich geworden, doch wie viel vom Leben hat das Gegenteil?
Durch meine Arbeit auf der Intensivstation muss ich mich auch mit solchen Fragen auseinandersetzen. In den letzten zwei Wochen sind vier Patienten gestorben, darunter auch einer aus dem Zimmer, das ich mal selber betreut hatte. In diesem Falle wussten die meisten, dass es bald passiert wird, die Krankheit war viel zu sehr fortgeschritten. Doch für mich ist es immer noch schwierig, es zu verkraften, denn ich habe insgeheim noch auf mein Fachwissen und meinen weißen Zauberkittel gehofft.
Was passiert aber, wenn die Therapie nicht einschlägt und der Patient trotz aller Bemühungen stirbt? Oder eine andere Situation, zu der vielleicht jeder ein Beispiel aus dem klinischen oder auch familiären Alltag hat: Der 98-jähriger Uropa aus dem Pflegeheim ist synkopiert, wird in die Notaufnahme eingeliefert und soll nun eine neue Herzklappe bekommen.
Wir lernen im Studium sehr gut, wie man mit kranken Menschen umgehen muss, um ihnen zu helfen und sie zu heilen. Differentialdiagnosen, Bildgebung, aufwendige Laborparameter - modernste Technologien in Diagnostik und Therapie. Was im Studium allerdings definitiv viel zu kurz vorkommt, ist der Umgang mit dem Tod. Denn ob wir das wollen oder nicht, er ist nun das logische Ende jedes einzelnen Lebens, und ihm ist bisher keiner entkommen.
Doch wir ziehen unsere weißen Kittel an und glauben, dadurch viel mächtiger geworden zu sein. Keine Frage, in vielen Situationen klappt es mit unserer Überredungskunst, und der Tod gibt nach. Aber früher oder später kommt der Moment, da müssen wir eine Decke über unseren Patienten ziehen und den Totenschein ausfüllen.
Wie geht man mit dieser Erfahrung um? Wie kann man den Moment erkennen, wo alle Anstrengungen keinen Sinn mehr ergeben und man den Patienten einfach in Ruhe lassen soll? Viele Studenten und junge Ärzte haben es nie gelernt, dass irgendwann Schluss sein muss, und dann häufen sich unzählige Eingriffe auf höchstem Niveau bei einem schon sehr alten Patienten, der ein erfülltes Leben hatte und nun nur eins wünscht, im Frieden zu sterben.
Angetrieben von den Maschinen, muss er aber weiter leben, sein Herz wird vom Schrittmacher stimuliert, die Atembewegungen kommen durch den Druckunterschied, vom Beatmungsgerät erzeugt, und die Nierenfunktion übernimmt die Dialyse. Sterben ist unmöglich geworden, doch wie viel vom Leben hat das Gegenteil?
Durch meine Arbeit auf der Intensivstation muss ich mich auch mit solchen Fragen auseinandersetzen. In den letzten zwei Wochen sind vier Patienten gestorben, darunter auch einer aus dem Zimmer, das ich mal selber betreut hatte. In diesem Falle wussten die meisten, dass es bald passiert wird, die Krankheit war viel zu sehr fortgeschritten. Doch für mich ist es immer noch schwierig, es zu verkraften, denn ich habe insgeheim noch auf mein Fachwissen und meinen weißen Zauberkittel gehofft.
Freitag, 18. Januar 2013
Woche 21. Ich, PJ-ler
Eine komische Sache habe ich neulich bei der Beobachtung der Blockpraktikanten erlebt: Zwischen dem fünften und dem sechsten Studienjahren ist die Entfernung viel größer, als bei allen anderen. Die anderen Studenten sind im neunten Semester, an ihrer Stelle war ich auch vor einem Jahr. Doch jetzt merke ich, dass zwischen uns praktisch Lichtjahre liegen.
So bin ich, zum Beispiel, viel besser in den klinischen Alltag integriert und viel mehr machen kann. Und es liegt nicht daran, dass ich etwas länger in der Abteilung bin, es hat sich seit dem ersten Tag kaum was geändert. Ich habe viel besseren Überblick, weiß, was zu tun ist, kann mich selber mit verschiedenen Sachen beschäftigen. Die anderen jedoch wirken auch in der zweiten Woche ziemlich hilflos und werden deswegen generell fast nur zum EKG-Schreiben eingesetzt.
Einen großen Nachteil sehe ich bei ihnen darin, dass sie morgens nicht zur Übergabe kommen, sondern erst um 9 Uhr. Diese Entwicklung ist mir neu, ich war in meinem Blockpraktikum auch schon um 7.30 da. Dadurch bekommen sie keine Informationen über die Patienten, können dementsprechend auch nichts selbstständig machen und sind immer auf andere angewiesen. Da sie auch um 13 Uhr schon gehen, geht die Stationsarbeit zum größten Teil an ihnen vorbei, und ich befürchte, dass sie nicht besonders von ihrem Praktikum profitieren werden.
Es kann natürlich sein, dass eben nicht alle solche Intensiv-Freaks sind, wie ich. Im Chirurgie-Praktikum war ich auch über jede Minute froh, die ich nicht im Krankenhaus verbringen musste. Dieser Vergleich macht mir nur deutlich, wie fortgeschritten ich inzwischen in meinem Studium bin. Und das ist eine unglaublich tolle Entwicklung.
So bin ich, zum Beispiel, viel besser in den klinischen Alltag integriert und viel mehr machen kann. Und es liegt nicht daran, dass ich etwas länger in der Abteilung bin, es hat sich seit dem ersten Tag kaum was geändert. Ich habe viel besseren Überblick, weiß, was zu tun ist, kann mich selber mit verschiedenen Sachen beschäftigen. Die anderen jedoch wirken auch in der zweiten Woche ziemlich hilflos und werden deswegen generell fast nur zum EKG-Schreiben eingesetzt.
Einen großen Nachteil sehe ich bei ihnen darin, dass sie morgens nicht zur Übergabe kommen, sondern erst um 9 Uhr. Diese Entwicklung ist mir neu, ich war in meinem Blockpraktikum auch schon um 7.30 da. Dadurch bekommen sie keine Informationen über die Patienten, können dementsprechend auch nichts selbstständig machen und sind immer auf andere angewiesen. Da sie auch um 13 Uhr schon gehen, geht die Stationsarbeit zum größten Teil an ihnen vorbei, und ich befürchte, dass sie nicht besonders von ihrem Praktikum profitieren werden.
Es kann natürlich sein, dass eben nicht alle solche Intensiv-Freaks sind, wie ich. Im Chirurgie-Praktikum war ich auch über jede Minute froh, die ich nicht im Krankenhaus verbringen musste. Dieser Vergleich macht mir nur deutlich, wie fortgeschritten ich inzwischen in meinem Studium bin. Und das ist eine unglaublich tolle Entwicklung.
Freitag, 11. Januar 2013
Woche 20. In die nächste Liga aufsteigen
Im Bezug auf den letzten Eintrag kann ich nun sagen: Es ist zum Glück besser geworden. Diese Woche hatte sogar ein richtiges Highlight - ich habe meinen ersten arteriellen Zugang gelegt.
Derselbe nette Arzt, den ich in meiner Famulatur vor drei Jahren schon extrem nett fand und der mich jetzt so kollegial behandelt, wie es nur geht, hat dazu beigetragen. Ohne lange drüber nachzudenken, sagte er zu mir: "Die neue Patientin braucht eine Arterie. Mach Dich schon mal steril, ich komme gleich".
Er wusste, dass ich schon mehrmals dabei zugeschaut hatte. Und nun durfte ich selber die Hand anlegen.
Ich habe schnell den Katheter aus dem Lager geholt und mich steril angezogen. Die Arterie konnte ich unter meinen Fingern gut fühlen, doch ging sie nicht zu punktieren. Nach ein paar Minuten zog sich der Arzt auch sterile Handschuhe an und übernahm die Kanüle. Zugegeben, es war für ihn wohl auch nicht so einfach, hätte er beim ersten Mal das Gefäß getroffen, hätte es sich schlimm auf mein Selbstwertgefühl ausgewirkt.
Nun endlich spritzt das Blut aus der Kanüle raus, wie es bei der Arterie üblich ist. Der Arzt schiebt den Draht schon mal vor, den Rest muss ich selber machen. Oje, diesen Schlauch auf den Draht aufzusetzen, dabei noch mit zitternden vor Aufregung Fingern, ist gar nicht so einfach! Schließlich klappt es. Ich muss den Katheter vorsichtig vorschieben und darauf achten, dass der Draht nicht unter der Haut verschwindet. Feinmotorik gefragt!
Der Katheter kommt mir sehr lang vor, doch irgendwann liegt er ganz im Gefäß. Ich drücke auf die Einstichstelle mit einer Kompresse und ziehe den Draht raus (der Katheter muss aber im Gefäß bleiben!). Jetzt mal schnell die BGA-Spritze anschließen und kurz auf die Ergebnisse warten.
Zwei Minuten später kommt der Arzt mit dem BGA-Ausdruck: Alles in Ordnung, das Blut ist arteriell, ich darf den Katheter an die Haut annähen. Vor Aufregung habe ich im ersten Moment Blackout und weiß nicht mehr, wie der einfachste Knoten ging. Alles mit der Ruhe, ein Mal tief durchatmen, und schon geht es. Zwei Knoten, fertig. Oje, habe ich unter dem Kittel geschwitzt!
Auf dem Monitor sehe ich die Blutdruckkurve aus der Arterie auf- und absteigen. Das breite Grinsen kann ich nicht verstecken, es ist ein schönes Gefühl, etwas dermaßen spannendes - auch wenn mit Hilfe - gemeistert zu haben.
Derselbe nette Arzt, den ich in meiner Famulatur vor drei Jahren schon extrem nett fand und der mich jetzt so kollegial behandelt, wie es nur geht, hat dazu beigetragen. Ohne lange drüber nachzudenken, sagte er zu mir: "Die neue Patientin braucht eine Arterie. Mach Dich schon mal steril, ich komme gleich".
Er wusste, dass ich schon mehrmals dabei zugeschaut hatte. Und nun durfte ich selber die Hand anlegen.
Ich habe schnell den Katheter aus dem Lager geholt und mich steril angezogen. Die Arterie konnte ich unter meinen Fingern gut fühlen, doch ging sie nicht zu punktieren. Nach ein paar Minuten zog sich der Arzt auch sterile Handschuhe an und übernahm die Kanüle. Zugegeben, es war für ihn wohl auch nicht so einfach, hätte er beim ersten Mal das Gefäß getroffen, hätte es sich schlimm auf mein Selbstwertgefühl ausgewirkt.
Nun endlich spritzt das Blut aus der Kanüle raus, wie es bei der Arterie üblich ist. Der Arzt schiebt den Draht schon mal vor, den Rest muss ich selber machen. Oje, diesen Schlauch auf den Draht aufzusetzen, dabei noch mit zitternden vor Aufregung Fingern, ist gar nicht so einfach! Schließlich klappt es. Ich muss den Katheter vorsichtig vorschieben und darauf achten, dass der Draht nicht unter der Haut verschwindet. Feinmotorik gefragt!
Der Katheter kommt mir sehr lang vor, doch irgendwann liegt er ganz im Gefäß. Ich drücke auf die Einstichstelle mit einer Kompresse und ziehe den Draht raus (der Katheter muss aber im Gefäß bleiben!). Jetzt mal schnell die BGA-Spritze anschließen und kurz auf die Ergebnisse warten.
Zwei Minuten später kommt der Arzt mit dem BGA-Ausdruck: Alles in Ordnung, das Blut ist arteriell, ich darf den Katheter an die Haut annähen. Vor Aufregung habe ich im ersten Moment Blackout und weiß nicht mehr, wie der einfachste Knoten ging. Alles mit der Ruhe, ein Mal tief durchatmen, und schon geht es. Zwei Knoten, fertig. Oje, habe ich unter dem Kittel geschwitzt!
Auf dem Monitor sehe ich die Blutdruckkurve aus der Arterie auf- und absteigen. Das breite Grinsen kann ich nicht verstecken, es ist ein schönes Gefühl, etwas dermaßen spannendes - auch wenn mit Hilfe - gemeistert zu haben.
Freitag, 4. Januar 2013
Woche 19. Vorsicht: Negativ
Diese Woche war mitunter einer der kürzesten Arbeitswochen im Jahr: Nur drei Tage musste ich durchhalten, und dann war schon wieder Wochenende. An negativen Erlebnissen war sie aber doch unübertroffen.
Am ersten Arbeitstag (das war der 2. Januar) durfte ich mich um eine ältere Dame kümmern, deren Wohnung in der Silvesternacht vollkommen ausgebrannt war. Wie die Polizei später feststellte, war ein Feuerwerkskörper, der wohl von draußen hinein flog, daran schuld. Das Feuer verbreitete sich so rasch, dass die Frau keine Zeit hatte, sich in Sicherheit zu bringen, im Flur ist sie umgekippt.
Ihre Nachbarn haben die Feuerwehr gerufen, die Tür ging aber nicht auf, denn die Dame lag direkt dahinter. Am Ende: Eine dicke CO-Vergiftung, ein großer blauer Fleck am rechten Arm durch den Sturz und eine Kopfplatzwunde durch die gefährliche Nähe zur Wohnungstür mit kräftigen Feuerwehrmännern dahinter.
Im Krankenhaus wurde sie sofort ins künstliche Koma versetzt und intubiert, um durch den Sauerstof den Kohlenmonoxid aus dem Blut rauszuwaschen. Das ging erstaunlich schnell, und schon zwei Tage später wurde die Sedierung reduziert und kurz darauf ganz eingestellt. Die Patientin wurde schnell wach, und die Ärzte zogen rasch den Tubus raus. Sie sah immer noch ziemlich verwirrt aus, ich hatte den Eindruck, dass sie nicht weiß, wo sie gerade ist. Ich sagte zur ihr: "Sie sind im Krankenhaus", und sie beruhigte sich etwas.
Doch die Nachricht über die komplett ausgebrannte Wohnung habe ich nicht überbringen können. Die Stationsärzte drücken sich auch ganz gewaltig davon, denn die Reaktion wird bestimmt sehr heftig sein.
Am zweiten Arbeitstag durfte ich einen jungen Assistenzarzt kennenlernen, den ich zwar schon ein paar Male bei der Übergabe gesehen hatte. Damals schon wusste ich nicht, was ich von ihm halten soll, jetzt ist es mir klar: Das ist wieder einer von der schlimmsten Sorte. Er missachtet Absprachen, ignoriert mich, reißt interessante Aurfgaben, die ich manchmal bekomme, an sich heran und schickt mich dabei zu irgendeiner Pillepalle raus. Ich war nach zwei Stunden "Zusammenarbeit" schon so verzweifelt, dass ich sofort nach einem Ausweg für Freitag, wo er weiterhin für den Frühdienst eingeteilt wurde, suchen musste.
Der dritte Arbeitstag war also der Ausweg: Ich bin mit dem Notarztwagen mitgefahren.
Normalerweise mache ich das sehr gerne, und der Notarzt war auch sehr nett. Doch mein schlechtes Karma blieb fortbestehen: In acht Stunden hatten wir drei Einsätze, die alle so nichtig waren, dass ich nirgendwo selbst Hand anlegen konnte. Im Job, den ich sonst so gerne mache (Flexülen legen) wurde ich komischerweise von den Rettungsassistenten verdrängt, was sich in einem Mal sogar nachteilig für den Patienten auswirkte (anstelle der Dame vom Rettungsdienst hätte ich den Schlauch ziemlich sicher schon beim ersten Mal reinbekommen und nicht erst drei Versuche gebraucht, um feststellen "Komisch, eigentlich kann ich es ja ganz gut, aber am Unterarm habe ich es noch nie gemacht" und an den Arzt übergeben zu müssen).
Und so war diese Woche zwar kurz, aber doch genau richtig in der Länge. Von mir aus hätte sie noch kürzer sein können, ich hoffe, in der nächsten Woche wird sich das alles ändern.
Am ersten Arbeitstag (das war der 2. Januar) durfte ich mich um eine ältere Dame kümmern, deren Wohnung in der Silvesternacht vollkommen ausgebrannt war. Wie die Polizei später feststellte, war ein Feuerwerkskörper, der wohl von draußen hinein flog, daran schuld. Das Feuer verbreitete sich so rasch, dass die Frau keine Zeit hatte, sich in Sicherheit zu bringen, im Flur ist sie umgekippt.
Ihre Nachbarn haben die Feuerwehr gerufen, die Tür ging aber nicht auf, denn die Dame lag direkt dahinter. Am Ende: Eine dicke CO-Vergiftung, ein großer blauer Fleck am rechten Arm durch den Sturz und eine Kopfplatzwunde durch die gefährliche Nähe zur Wohnungstür mit kräftigen Feuerwehrmännern dahinter.
Im Krankenhaus wurde sie sofort ins künstliche Koma versetzt und intubiert, um durch den Sauerstof den Kohlenmonoxid aus dem Blut rauszuwaschen. Das ging erstaunlich schnell, und schon zwei Tage später wurde die Sedierung reduziert und kurz darauf ganz eingestellt. Die Patientin wurde schnell wach, und die Ärzte zogen rasch den Tubus raus. Sie sah immer noch ziemlich verwirrt aus, ich hatte den Eindruck, dass sie nicht weiß, wo sie gerade ist. Ich sagte zur ihr: "Sie sind im Krankenhaus", und sie beruhigte sich etwas.
Doch die Nachricht über die komplett ausgebrannte Wohnung habe ich nicht überbringen können. Die Stationsärzte drücken sich auch ganz gewaltig davon, denn die Reaktion wird bestimmt sehr heftig sein.
Am zweiten Arbeitstag durfte ich einen jungen Assistenzarzt kennenlernen, den ich zwar schon ein paar Male bei der Übergabe gesehen hatte. Damals schon wusste ich nicht, was ich von ihm halten soll, jetzt ist es mir klar: Das ist wieder einer von der schlimmsten Sorte. Er missachtet Absprachen, ignoriert mich, reißt interessante Aurfgaben, die ich manchmal bekomme, an sich heran und schickt mich dabei zu irgendeiner Pillepalle raus. Ich war nach zwei Stunden "Zusammenarbeit" schon so verzweifelt, dass ich sofort nach einem Ausweg für Freitag, wo er weiterhin für den Frühdienst eingeteilt wurde, suchen musste.
Der dritte Arbeitstag war also der Ausweg: Ich bin mit dem Notarztwagen mitgefahren.
Normalerweise mache ich das sehr gerne, und der Notarzt war auch sehr nett. Doch mein schlechtes Karma blieb fortbestehen: In acht Stunden hatten wir drei Einsätze, die alle so nichtig waren, dass ich nirgendwo selbst Hand anlegen konnte. Im Job, den ich sonst so gerne mache (Flexülen legen) wurde ich komischerweise von den Rettungsassistenten verdrängt, was sich in einem Mal sogar nachteilig für den Patienten auswirkte (anstelle der Dame vom Rettungsdienst hätte ich den Schlauch ziemlich sicher schon beim ersten Mal reinbekommen und nicht erst drei Versuche gebraucht, um feststellen "Komisch, eigentlich kann ich es ja ganz gut, aber am Unterarm habe ich es noch nie gemacht" und an den Arzt übergeben zu müssen).
Und so war diese Woche zwar kurz, aber doch genau richtig in der Länge. Von mir aus hätte sie noch kürzer sein können, ich hoffe, in der nächsten Woche wird sich das alles ändern.
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