Freitag, 12. Juli 2013

Woche 46. Wie wichtig nun die Sicherheit ist

Diese Woche ist etwas unglaubliches passiert. Ich war das erste Mal richtig froh, dass ich diese Einmalhandschuhe anhatte.

Ihr wisst wie es ist: In diesen komischen Gummidingen spürt man eher nichts. Blutabnehmen wird schon schwer genug, von einer Flexüle ganz zu schweigen. Und dann wird jedes Paar nach jedem Patienten weggeschmissen - auch eine Verschwendung an sich.

Im Praxistag im 2. Semester, bei dem ich einmal pro Woche für einen Vormittag in einer allgemeinmedizinischen Praxis hospitierte, hat mir die Praxisärztin das Blutabnehmen ohne Handschuhe beigebracht. "Wenn ich mir die Nadel in die Hand steche, dann steche ich auch durch die Handschuhe durch, die bringen nichts" - das war ihre Argumentation.

Im Laufe der Ausbildung habe ich mich mal mehr mal weniger daran gehalten, denn - nun wirklich! - so oder so, ich steche durch!

Klar, bei eindeutig infektiösen Patienten und / oder sichtbaren Venen habe ich auch mal Handschuhe angezogen, zum Teil um auch mein Gewissen zu beruhigen. Bei eckligen Aufgaben wird gar nicht drüber nachgedacht: Handschuhe an!

Diese Woche bin ich von einer Schwester zu einer Patientin gerufen worden, bei der die Fäden im OP mit viel Kraft zugezogen wurden und die Knoten nun praktisch im Hautniveau versunken waren.

Ich war die einzige mehr-oder-weniger-Ärztin auf der Station, die beiden anderen waren im OP bzw. in der Rettungsstelle. Und so war ich natürlich sehr stolz, dass die Schwester sich an mich gewendet hat und wollte dann auch nicht kneifen. Ich nahm das Skalpell in eine Hand, die Pinzette in die andere - fertig war die Ausrüstung.

Die Knoten waren wirklich hartnäckig. Die Schwester kümmerte sich um die Patientin, nahm ihre Hand. Drei Fäden habe ich inzwischen schon gezogen, der letzte blieb drin und wollte sich nicht entfernen lassen. Na warte, ich greife ich so und ziehe, und jetzt kann ich schneiden...

In dem Moment rutschte mein Skalpell ab und glitt blitzschnell Richtung Pinzette und linker Hand. Ich habe die Berührung der scharfen Klinge mit den Fingern gespürt. Sofort sah ich vor meinem inneren Auge, wie ich mich beim Kollegen in der Rettungsstelle vorstellen muss, wie ich auch "ein BG-Fall*" werde, Blutabnahmen zur Hepatitis-Serologie, HIV-Test etc.

Ich nahm meinen Mut zusammen und schaute auf die linke Hand. Das erste, was ich sah, war ein Fetzen vom Handschuh, der nun an meinem Zeigefinger runterhing. Sofort zog ich den Handschuh aus: Kein Blut, keine Verletzung an der Haut, nichts! Und das, obwohl die Skalpellklingen wirklich die absolut schärfsten Klingen sind, die ich in meinem Leben je gesehen habe.

Sofort war ich erleichtert. Vielen Dank, lieber namenloser Handschuh, Du hast mir echt sehr sehr viele Unannehmlichkeiten gespart!

PS: Und meine Philosophie mit Handschuhen beim Blutabnehmen werde ich auch ernsthaft überdenken.

PPS: Den letzten Faden habe ich doch noch rausgekriegt! Die Schlaufe war höchstens 1 mm im Durchmesser, der Knoten fiel einfach aus der obersten Hautschicht raus, ohne Durchschneiden.

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* BG - Berufsgenossenschaft, Versicherungsträger u.a. bei Unfällen am Arbeitsplatz

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