Freitag, 3. Mai 2013

Woche 36. Mein Lobgesang an die Rettungsstelle

Dienste in der Rettungsstelle werden von vielen Ärzten nicht gerne genommen. In der Uniklinik, zum Beispiel, dauert das Warten für die Patienten manchmal bis zu acht Stunden! Für die Ärzte ist es dann wiederum mit einem erheblichen Zeitdruck verbunden: Ich kann mich unmöglich einem Patienten so lange widmen, wie es mir lieb ist, wenn draußen noch 20 andere warten, und manche schon seit Ewigkeit.

Umso überraschender war es, dass das kleine Krankenhaus, wo ich gerade mein drittes PJ-Tertial absolviere, eine ebenfall kleine und putzige erste Hilfe hat. Es gibt sieben Behandlungszimmer, von denen vier den Internisten und zwei den Unfallchirurgen gehören, das siebte ist für die Allgemeinchirurgen (wenn sie mal gebraucht werden, denn sie kommen nur konsiliarisch) reserviert.

Die Rettungsstelle ist zwar vom ärztlichen und pflegerischen Personal durchgehen rund um die Uhr besetzt (so steht es ganz stolz auf den Infoblättern), die meiste Zeit sind aber eben nur der Internist und der Unfallchirurg da (wenn überhaupt). Alle anderen kommen erst, wenn sie gerufen werden, mit Ausnahme der HNO-Abteilung, die ihre eigene Rettungsstelle im 1. OG besitzt. Dorthin werden alle Patienten weitergeleitet, wenn bei der unfallchirurgischen Untersuchung eine Verletzung im Gesicht oder Halsbereich vorliegt, unabhängig von der Größe. (Ich muss dabei immer an die Abschieben-Regel aus "House of God" denken, so zutreffend ist es dann eben.)

Dieser Ausmaß an Räumlichkeiten und ärztlicher Besatzung reicht anscheinend auch, denn das Gedränge der Patienten hält sich überraschenderweise sehr in Grenzen. Die längste Wartezeit, die ich mitbekommen habe, waren 2-2,5 Stunden, dabei hatten wir einen sehr stressigen Abend mit acht (!) Patientenakten in der Warteschlange. Da hat sich der Arzt gefreut, dass ich auch da war, gemeinsam haben wir den Stapel schnell abgearbeitet.

Meistens verlaufen die Dienste ganz entspannt. Spätdienste mag ich sogar lieber, weil sich dann der Krankenhaustrubel etwas legt (und ich zur einzigen Studentin in der Unfallchirurgie werde). Das Pflegepersonal wird automatisch freundlicher, man kann sich gemeinsam am Tisch sehr nett unterhalten.

Abends darf ich auch viel mehr selber machen: Meine Highlights sind natürlich das Nähen von Platzwunden und das Spalten von Panaritium (Eiteransammlung unter der Haut am Finger), beides mit sterilen Handschuhen und echten OP-Leuchten. Solche Kleinigkeiten wie Anlegen eines venösen Zugangs oder Tetanusimpfung sind dann nicht mehr der Rede wert.

Dadurch kommt es, dass die Ärzte auch milder gestimmt sind. Ich bekomme nicht nur eine eins-zu-eins Betreuung, sondern auch einen echten theoretischen Unterricht mit Merkhilfen und Untersuchungstechniken, der tagsüber leider mehr ausfällt als stattfindet. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ich gefühlte 90% der Lernerfolge in der Unfallchirurgie meinen abendlichen Einsätzen in der Rettungsstelle verdanke.   

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