Ich werde mich wohl nie mit der unglaublich starren Hierarchie in allen chirurgischen Fächern abfinden können. Nachdem die beiden ersten Tertiale so kollegial abgelaufen sind, fühle ich mich jetzt wieder wie ein Erstklässler.
Am Donnerstag sollte ich mich zum Beispiel bei einer OP nicht mal mitwaschen, sondern stand in der Ecke und schauete aus einer 2-Meter Entfernung, wie der Chefarzt irgendwelche Stifte in einen Wirbelkörper des Patienten reinjagt, während die ihm assistierende Oberärztin auf die Pedale des Röntgen-Geräts drückt. Enorm lehrreich. Zwei Stunden lang.
Klar, dass ich nach solchen Situationen schnell frustriert werde. Nach der Betreuung eigener Patienten auf der ITS der Uniklinik ist die Rückkehr in das normale Leben eines Studenten eben nur schwer zu verdauen.
Freitag, 26. April 2013
Samstag, 20. April 2013
Woche 34. Schmerzhaft
Ich gebe zu: Unfallchirurgie kann Spaß machen! Vor allem in der Rettungsstelle und vor allem abends, wenn der alltägliche Krankenhaustrubel sich etwas beruhigt hat.
Die Frühschicht vom Pflegepersonal geht, in der Spätschicht sind gefühlt ein paar Leute weniger, sodass es dann auch nicht mehr so voll in den kleinen Räumen ist. Wenn viele Patienten im Warteraum sitzen, vergeht die Zeit wie im Flug, ansonsten kann man sie mit genug Smalltalk vollstopfen.
Nachmittags oder abends ist dann die höchste Zeit für die Stammkunden der Unfallchirugie: Betagte Patienten meistens aus einem Pflegeheim, die aus dem Bett gefallen / auf den Fliesen ausgerutscht / an der Treppe gestürzt sind. Sie alle erwartet das gleiche Programm: Anamnese = "Wo tut's denn weh?", körperliche Untersuchung = an der besagten Stelle fröhlich rumdrücken, Röntgen des Beckens und der Hüfte = dem Feind ins Gesicht blicken.
(Dieses Szenario habe ich letzte Woche so oft erlebt, dass ich gestern im Rahmen der Prüfungsvorbereitung eine recht komplizierte Frage zu Schenkelhalsfrakturen richtig gekreuzt habe und nun recht stolz auf mich bin!)
Ein Knochenbruch kann jedoch unter Umständen schon ein paar unangenehme Momente bereiten. Ich finde es aber jedes Mal voll erstaunlich, wie unterschiedlich Menschen mit Scherzen umgehen.
Da gibt es eine alte Oma, die, wie wir später auf dem Röntgen-Bild sehen, sich vor kurzem einem komlizierten Schenkelhalsbruch zugezogen hat, bei der Untersuchung aber nicht im geringsten das Gesicht verzieht. Eine junge Frau, Mutter zwei Kinder, hält nach dem Sturz ihren Unterarm zwar fest, bleibt mit der Stimme aber nach wie vor ruhig, auch wenn der Arzt die zweifellos schmerzhafte Untersuchung beginnt.
Da ist ein 12-jähriges Mädchen, das gestern barfuß auf einen rostigen Nagel getreten ist, jetzt ist die Stelle gerötet und muss aufgespalten werden - sie klammert sich währenddessen an ihre Mama und schluchzt ganz leise. Eine 40-jährige Motorradfahrerin, die auf der Straße mit ihrem Motorrad umgekippt ist, zuckt zusammen und wird laut, sobald der Arzt die Platzwunde an ihrem Knie nur anfässt.
Ganz außen steht ein 55-jähriger Mann, der solche starken Schmerzen in der Hüfte hat, dass nicht mal eine Röntgenaufnahme klappt. Es besteht starker Verdacht auf eine Entzündung des Oberschenkelkopfes, er wird operiert.
Vollkommen unterschiedliche Geschichten, die nur eins vereint - Schmerz. Das ist der Alltag der Unfallchirurgie.
Die Frühschicht vom Pflegepersonal geht, in der Spätschicht sind gefühlt ein paar Leute weniger, sodass es dann auch nicht mehr so voll in den kleinen Räumen ist. Wenn viele Patienten im Warteraum sitzen, vergeht die Zeit wie im Flug, ansonsten kann man sie mit genug Smalltalk vollstopfen.
Nachmittags oder abends ist dann die höchste Zeit für die Stammkunden der Unfallchirugie: Betagte Patienten meistens aus einem Pflegeheim, die aus dem Bett gefallen / auf den Fliesen ausgerutscht / an der Treppe gestürzt sind. Sie alle erwartet das gleiche Programm: Anamnese = "Wo tut's denn weh?", körperliche Untersuchung = an der besagten Stelle fröhlich rumdrücken, Röntgen des Beckens und der Hüfte = dem Feind ins Gesicht blicken.
(Dieses Szenario habe ich letzte Woche so oft erlebt, dass ich gestern im Rahmen der Prüfungsvorbereitung eine recht komplizierte Frage zu Schenkelhalsfrakturen richtig gekreuzt habe und nun recht stolz auf mich bin!)
Ein Knochenbruch kann jedoch unter Umständen schon ein paar unangenehme Momente bereiten. Ich finde es aber jedes Mal voll erstaunlich, wie unterschiedlich Menschen mit Scherzen umgehen.
Da gibt es eine alte Oma, die, wie wir später auf dem Röntgen-Bild sehen, sich vor kurzem einem komlizierten Schenkelhalsbruch zugezogen hat, bei der Untersuchung aber nicht im geringsten das Gesicht verzieht. Eine junge Frau, Mutter zwei Kinder, hält nach dem Sturz ihren Unterarm zwar fest, bleibt mit der Stimme aber nach wie vor ruhig, auch wenn der Arzt die zweifellos schmerzhafte Untersuchung beginnt.
Da ist ein 12-jähriges Mädchen, das gestern barfuß auf einen rostigen Nagel getreten ist, jetzt ist die Stelle gerötet und muss aufgespalten werden - sie klammert sich währenddessen an ihre Mama und schluchzt ganz leise. Eine 40-jährige Motorradfahrerin, die auf der Straße mit ihrem Motorrad umgekippt ist, zuckt zusammen und wird laut, sobald der Arzt die Platzwunde an ihrem Knie nur anfässt.
Ganz außen steht ein 55-jähriger Mann, der solche starken Schmerzen in der Hüfte hat, dass nicht mal eine Röntgenaufnahme klappt. Es besteht starker Verdacht auf eine Entzündung des Oberschenkelkopfes, er wird operiert.
Vollkommen unterschiedliche Geschichten, die nur eins vereint - Schmerz. Das ist der Alltag der Unfallchirurgie.
Freitag, 12. April 2013
Woche 33. Neuanfang
Meinen Beobachtungen nach teilen sich Mediziner ziemlich genau in zwei Gruppen: Internisten und Chirurgen. Ein schönes Bild dazu gab es mal in "Scrubs", einer der realitätstreuesten Arztserien: Internisten sind wie Schachklub, Chirurgen wie Footballteam.
Dem kann ich nicht widersprechen. Tatsächlich gehören viele einem bestimmten Menschentyp an, der sie entweder zum Grübeln und Nachdenken oder zum schnellen Handeln und ebenfalls schnellen Ergebnissen neigen lässt.
Diese Einteilung ist jedoch nicht starr: Manchmal ändert sich die Neigung. Mein Studium habe ich mit dem Gedanken angefangen, eine chirurgische Laufbahn anzustreben, ich legte bei den Mahlzeiten viel Wert auf saubere Schnitte und auch beim Kochen tat ich manchmal so, als wäre ich im OP. Doch die Realität dieses Berufes hat mich schnell abgeschreckt: Familienunfreundliche Arbeitszeiten, ständiger Konkurrenzkampf, unflexibler Arbeitsablauf.
Noch vor den Prüfungen des 1. Semesters habe ich meine Meinung geändert, seitdem bin ich durch und durch Internist. Mit umso mehr Sörgen und Demotivation habe ich diese Woche mein Chirurgie-Tertial angefangen.
Nach dem Trubel und Hochbetrieb des Uniklinikums bin ich jetzt in einem kleinen Haus, wo es zwei orthopädische und eine allgemeinchirurgische Stationen sowie nur drei Säle für die beiden Fachrichtungen gibt. Umso größer war mein Erstauen, als sich herausstellte, dass auf diesem sehr überschaubaren Gebiet ganze sieben PJ-ler sich ihre Arbeit teilen sollen!
Zugegeben, es ist schon ziemlich eng. Zum Glück gibt es noch die Rettungsstelle, die durchgehend von einem Unfallchirurgen mitbetreut wird, dorthin habe ich mich für die ersten zwei Wochen verdrückt. Da kann ich wenigstens den allgemeinen Rettungsstellenbetrieb näher kennenlernen, was mir auch im späteren Berufsleben nützen wird. Auch wenn ich immer wieder stauen muss, dass Pflegeschüler dort offensichtlich einen höheren Status besitzen und viel mehr praktische Aufgaben und sogar Unterricht (!) bekommen, als ich, Studentin im letzten Jahr.
Es gibt also vieles, worauf ich mich nun neu einstellen muss. Ich tröste mich jetzt nur mit dem Gedanken, dass es das letzte Tertial sein wird, und dass die Zeit ebenfalls so schnell vorbei geht, wie in den ersten zwei.
Dem kann ich nicht widersprechen. Tatsächlich gehören viele einem bestimmten Menschentyp an, der sie entweder zum Grübeln und Nachdenken oder zum schnellen Handeln und ebenfalls schnellen Ergebnissen neigen lässt.
Diese Einteilung ist jedoch nicht starr: Manchmal ändert sich die Neigung. Mein Studium habe ich mit dem Gedanken angefangen, eine chirurgische Laufbahn anzustreben, ich legte bei den Mahlzeiten viel Wert auf saubere Schnitte und auch beim Kochen tat ich manchmal so, als wäre ich im OP. Doch die Realität dieses Berufes hat mich schnell abgeschreckt: Familienunfreundliche Arbeitszeiten, ständiger Konkurrenzkampf, unflexibler Arbeitsablauf.
Noch vor den Prüfungen des 1. Semesters habe ich meine Meinung geändert, seitdem bin ich durch und durch Internist. Mit umso mehr Sörgen und Demotivation habe ich diese Woche mein Chirurgie-Tertial angefangen.
Nach dem Trubel und Hochbetrieb des Uniklinikums bin ich jetzt in einem kleinen Haus, wo es zwei orthopädische und eine allgemeinchirurgische Stationen sowie nur drei Säle für die beiden Fachrichtungen gibt. Umso größer war mein Erstauen, als sich herausstellte, dass auf diesem sehr überschaubaren Gebiet ganze sieben PJ-ler sich ihre Arbeit teilen sollen!
Zugegeben, es ist schon ziemlich eng. Zum Glück gibt es noch die Rettungsstelle, die durchgehend von einem Unfallchirurgen mitbetreut wird, dorthin habe ich mich für die ersten zwei Wochen verdrückt. Da kann ich wenigstens den allgemeinen Rettungsstellenbetrieb näher kennenlernen, was mir auch im späteren Berufsleben nützen wird. Auch wenn ich immer wieder stauen muss, dass Pflegeschüler dort offensichtlich einen höheren Status besitzen und viel mehr praktische Aufgaben und sogar Unterricht (!) bekommen, als ich, Studentin im letzten Jahr.
Es gibt also vieles, worauf ich mich nun neu einstellen muss. Ich tröste mich jetzt nur mit dem Gedanken, dass es das letzte Tertial sein wird, und dass die Zeit ebenfalls so schnell vorbei geht, wie in den ersten zwei.
Freitag, 5. April 2013
Woche 32. Auf Wiedersehen, Innere!
Der Abschied von der Inneren Medizin und von der ITS, wo ich die letzten vier Monate miterleben durfte, wie Menschenleben gerettet werden, ist mir genauso schwer gefallen, wie ich es immer dachte. Es tröstet mich nur der Gedanke, dass ich in vielleicht nicht mal einem Jahr in das Fach wiederkehren werden, und zwar als Ärztin.
Auf dieser ITS habe ich im 1. Semester meine ersten Patientengespräche geführt, damals noch recht schüchtern und unbeholfen. Im meiner ersten Famulatur legte ich dort auch meinen ersten venösen Zugang, und ich weiß immer noch, wie mir dabei die Hände gezittert haben! Im Blockpraktikum habe ich gemerkt, wie fortgeschritten im Studium ich inzwischen bin: Ich kannte schon viele Medikamente und verstand bei den Übergaben auch schon eine Menge.
Und nun schließt sich der Kreis. Ich bin als Küken gekommen, hatte Angst vor allen - Schwestern, Ärzten, Patienten - und gehe nun als "bald Ärztin", die jetzt schon als Kollegin angesehen wird. In der Zwischenzeit ist viel passiert: Bei den Patienten-, aber auch Angehörigengesprächen fühle ich mich viel sicherer, die Erfolgsrate bei den venösen Zugängen ist deutlich angestiegen, und auch arterielle Punktionen sind kein unberührtes Feld mehr. Ich kann mir jetzt viel besser vorstellen, wie es ist, eine Ärztin zu sein, und fühle mich dafür ebenfalls besser vorbereitet und ausgerüstet.
Kurz bevor ich am letzten Tag gegangen bin, rief auf der Station eine Frau an, um sich nach dem Befinden ihrer Schwester, die bei uns liegt, zu erkundigen. Am Anfang, als sie erfahren hat, dass ich eine Studentin bin, wollte sie lieber einen Arzt sprechen, doch es war in dem Moment keiner zu erreichen. Ich habe versucht, auf ihre Ängste und Sorgen einzugehen (dem fünfjährigen Interaktionsunterricht sei dank!), und es hat warhscheinlich so gut funktioniert, dass sie mich zum Abschied bewusst "Frau Doktor" nannte. Im Endeffekt liegt sie doch gar nicht so verkehrt - in nur nicht mal acht Monaten bin ich dann hoffentlich eine.
Auf dieser ITS habe ich im 1. Semester meine ersten Patientengespräche geführt, damals noch recht schüchtern und unbeholfen. Im meiner ersten Famulatur legte ich dort auch meinen ersten venösen Zugang, und ich weiß immer noch, wie mir dabei die Hände gezittert haben! Im Blockpraktikum habe ich gemerkt, wie fortgeschritten im Studium ich inzwischen bin: Ich kannte schon viele Medikamente und verstand bei den Übergaben auch schon eine Menge.
Und nun schließt sich der Kreis. Ich bin als Küken gekommen, hatte Angst vor allen - Schwestern, Ärzten, Patienten - und gehe nun als "bald Ärztin", die jetzt schon als Kollegin angesehen wird. In der Zwischenzeit ist viel passiert: Bei den Patienten-, aber auch Angehörigengesprächen fühle ich mich viel sicherer, die Erfolgsrate bei den venösen Zugängen ist deutlich angestiegen, und auch arterielle Punktionen sind kein unberührtes Feld mehr. Ich kann mir jetzt viel besser vorstellen, wie es ist, eine Ärztin zu sein, und fühle mich dafür ebenfalls besser vorbereitet und ausgerüstet.
Kurz bevor ich am letzten Tag gegangen bin, rief auf der Station eine Frau an, um sich nach dem Befinden ihrer Schwester, die bei uns liegt, zu erkundigen. Am Anfang, als sie erfahren hat, dass ich eine Studentin bin, wollte sie lieber einen Arzt sprechen, doch es war in dem Moment keiner zu erreichen. Ich habe versucht, auf ihre Ängste und Sorgen einzugehen (dem fünfjährigen Interaktionsunterricht sei dank!), und es hat warhscheinlich so gut funktioniert, dass sie mich zum Abschied bewusst "Frau Doktor" nannte. Im Endeffekt liegt sie doch gar nicht so verkehrt - in nur nicht mal acht Monaten bin ich dann hoffentlich eine.
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