Freitag, 28. September 2012

Woche 5. Vorteile und Nachteile der Pädiatrie


Kinderheilkunde ist ein sehr beliebtes Fach, und manche, vor allem Frauen, würden sagen, zurecht. Es gibt in dem Fach genügend Vorteile. Die Patienten sind klein, sie können sich nicht so sehr wehren. Sie sind unverdorben, riechen (im Idealfall) weder nach Zigaretten noch nach Alkohol, sondern (im Idealfall) nach Milch und Kindheit. Sie sind wie ein unbeschriebenes Blatt Papier und glauben (meistens vor Eintreten der Pubertät) den Erwachsenen jedes Wort, sodass man dann auch auf eine ausreichende Compliance hoffen kann. Sie sind vertrauensvoll, ehrlich, und sehen alles unglaublich klar. Sie sind (und das ist nicht unwichtig!) einfach süß, und lassen jedes (v.a. Frauen-) Herz nur so dahinschmelzen.

Diese Woche habe ich allerdings rausgefunden, warum ich doch lieber mit Erwachsenen arbeiten möchte. Denn die ganzen Nachteile werden mir auch langsam klar.

Erstens, manche Eltern nerven. Alle wären glücklicher, wenn sie nur ihre Kinder in der Rettungsstelle abgeben würden, aber sie bleiben eben auch und nerven und stören nur. Es ist ein großer Nachteil der Pädiatrie, dass man dann auf einmal doppelt oder dreimal so viele Patienten in seinem Sprechzimmer hat, denn "leider bringen viele Kinder auch ihre Eltern mit".

Zweitens, die meisten Pädiater sind Frauen. Da habe ich nichts dagegen, und es gibt auch genug gute Gründe, warum es so ist. Ich bin aber so, dass ich viel lieber mit Männern arbeite (so wie es in meinem ersten Studium war, wo es bei uns 35 Jungs und 5 Mädchen gab). Dass es bei diesem Überschuss in der Abteilung doch nur 2 von 5 Oberärzten Frauen sind, bringt mich auf ungute Gedanken über das "gläserne Karrieredach" und den möglichen Nutzen einer Frauenquote.

Drittens, und das ist das wichtigste, ich kann mich nicht mein ganzes Leben lang zwingen, den Kleinen weh zu tun. Dass ich einem Neugeborenen, das überhaupt erst seit 10 Minuten auf der Welt ist, eine Riesennadel in die Vene stechen muss, ist einfach sehr hart für mich, und es wird mir dabei recht schlecht. Einmal bin ich aus dem Kreissaal wieder rausgegangen, um nicht zugucken zu müssen. Ich kann mich dabei leider sehr schlecht distanzieren und leide bei den Kleinen voll mit.

Deshalb freue ich mich langsam auf das zweite Tertial (auch wenn es dort keine Mittagspausen mit kostenlosem Essen geben wird!).

Freitag, 21. September 2012

Woche 4. Meine erste Geburt


Am Mittwoch bin ich mit Eva, einer Assistenzärztin, in den Kreissaal mitgekommen, wir wurden zu einem Frühgeborenen gerufen. Am Telefon hörte es sich nach einem Notfall an, aber als wir dort ankamen, wurde klar, dass wir noch reichlich Zeit gehabt hätten: Das Kind befand sich noch im Bauch der Mutter.

Da es ja jede Minute losgehen konnte, wollten wir auch nicht mehr zurück auf die Station und sind in dem Kreissaal geblieben. Die Mutter war sichtlich erschöpft vom langen Geburtsvorgang, kein Wunder, denn zu diesem Zeitpunkt dauerte die Geburt schon 15 Stunden. Für die Austreibungsperiode musste dann etwas medikamentöse Hilfe gegeben werden, weil sie keine Kraft mehr hatte.

Die Hebamme munterte die Frau auf. Sie machte eine kleine Pause und legte sich auf die Seite. Doch wenige Minuten später musste es weitergehen. Auf einmal sahen wir die Haare vom Kind, dann den Umfang vom Köpfchen. Noch ein letztes Mal sollte die Frau pressen, worauf sie antworte: „Ich platze gleich!“ Die Hebamme war schon mit dem Dammschutz dabei, und half dem Köpfchen sich zu entwickeln. Die Frau presste ganz kräftig, und das Köpfchen wurde geboren!

Der Rest ging sehr schnell. Die Hebamme drehte das Kind vorsichtig um, damit die Schulter rauskommen konnten, und wenige Sekunden später landete das Kind auf dem Bauch der Mutter und durfte sie und Papa kennenlernen. Eine Freundin der Mutter, die auch bei der Geburt dabei war, machte schon die ersten Bilder und hat auch die Nabelschnur durchtrennt.

Doch das Glück war nur kurz. Da es sich dabei um ein Frühgeborenes in der 35. Schwangerschaftswoche handelte, mussten wir den kleinen Jakob mit „k“ der Mama wieder entnehmen und mit in den Versorgungsraum abtransportieren. Eine Stunde später war er schon auf unserer Station. Der kleine Mann schlief friedlich und wusste noch nicht, was für eine große Veränderung in seinem Leben es eben gegeben hatte.

Freitag, 14. September 2012

Woche 3. Pädiatrische Feinarbeit: ZVK beim Frühchen


In dieser Woche wurde mir klar, wie feinfühlig die Pädiatrie sein kann. Und das bezieht sich nicht nur auf Empathie und sonstige psychologische Tricks, nein, es kann dabei auch schlichtweg um Feinmotorik gehen.

In der Intensivmedizin, zu der in irgendeiner Art und Weise auch Neonatologie gehört, wird häufig mit den sogenannten „zentralen Kathetern“ gearbeitet. Meistens handelt es sich um zentrale venöse Katheter, kurz „ZVK“. Es sich kleine dünne Schläuche, die durch eine Herznahe große Vene (meistens V. jugularis am Hals) in die Vena cava zum rechten Vorhof vorgeschoben werden. Solche Katheter haben große Vorteile gegenüber einem peripheren Zugang, sie sind aber logischerweise auch schwerer anzubringen.

Bei einer Katheteranlage für einen Erwachsenen habe ich schon mehrmals zugesehen, sodass es inzwischen weniger spektakulär für mich geworden ist. Bei einem Kind habe ich es aber noch nie beobachtet, und war deshalb sehr darauf gespannt.

Wir haben die ganzen Materialien zusammengesucht und sind dann zu dem Kind gegangen, das das Ganze nun kriegen sollte. Das Kind war ein Frühgeborenes und deshalb recht klein. Ich wusste echt nicht, wie man da noch eine Vene finden soll und dazu noch eine ausreichend große.

Doch für den Oberarzt, der alles durchführte, war alles fast wie Routine. Der Kopfteil vom Bettchen wurde tiefer gestellt, damit die Venen sich besser füllen können. Der Arzt zog sich steril an und legte los.

Er nahm die Nadel und suchte nach der Vene. Dann kam der Schlauch rein (es war ein bisschen zu fummeln an einer Stelle), er wurde durchgespült und die Lage mit dem Ultraschall kontrolliert. Fertig, jetzt nur noch Röntgen anmelden. Alles hat vielleicht 20 Minuten gedauert, aber für mich war es sowas wie feinste Mikrochirurgie. Chapeau, liebe Neonatologen, ich würde mich an Euren Job niemals rantrauen.

Freitag, 7. September 2012

Woche 2. Hausaufgaben


Ich bin nach wie vor sehr froh, dass ich noch im Jahrgang studiere, der das Hammerexamen nach dem praktischen Jahr ablegen wird. Denn ich bin überzeugt, dass man auch im PJ sehr viel lernen kann, und nicht nur praktisches.

Ein Beispiel davon hat es in dieser Woche gegeben. Auf der Station gibt es ein Kind mit steigendem Bilirubin unklarer Genese, und bei der Chefvisite am Montag kam raus, dass das Ferritin deutlich erhöht war. Der Chef sagte dazu: „Na ja, da müsste eine neonatale Chromatose ausgeschlossen werden“, blickte mich an und meinte dann zu mir: „Finden Sie mal raus, was es ist und wie man es diagnostiziert“. Damit war klar: Ich habe eine Hausaufgabe bekommen!

Kaum zu Hause, holte ich schon mein großes Pädiatriebuch aus dem Regal (in der Checkliste gab es zu diesem Stichwort leider nichts). Aber im großem Buch stand es tatsächlich drin: Bei einer Chromatose ist die Aufmahme vom Eisen aus dem Magen-Darm-Trakt gestört, es fehlen bestimmte Rezeptoren, und der Körper weiß nicht, wie viel Eisen schon aufgenommen wurde, sodass er eben einfach alles aufnimmt. Das überschüssige Eisen lagert sich dann in vielen Organen ab, vor allem in der Leber und in der Bauchspeicheldrüse. Das führt dann zu Leberversagen und Zirrhose. Bei der eingeborenen Form fängt die Störung bereits im Mutterleib an, sodass Kinder sofort nach der Geburt behandelt werden müssen. Um eine Hämochromatose eindeutig zu diagnostizieren, kann man radioaktiv markiertes Eisen verabreichen oder eine Leberbiopsie durchführen.

Am nächsten Tag wurde ich tatsächlich zu meiner Hausaufgabe befragt, genau wir in der Schule! Ich war froh, das Kapitel am Abend davor gelesen zu haben. Die beiden Diagnostikmethoden kommen für das Kind leider nicht in Frage, denn es ist noch ganz klein. Wir suchen also weiter nach der Ursache.