Vor kurzem habe ich für mich die examen online - Seite entdeckt und schon mal die ersten Fragen (natürlich, in der Pädiatrie) durchgearbeitet. Eine schreckliche Entdeckung: Ich muss viel viel früher anfangen zu lernen, als ich dachte, denn die Menge an Stoff ist wirklich unermesslich!
Dieser Eindruck wurde durch ein Seminar zur effektiven Prüfungsvorbereitung diese Woche nur bestätigt. Zum Glück hahe ich jetzt gelernt, wie ich an diese Menge nun rangehen soll, wir werden aber nächstes Jahr sehen, ob es was genutzt hatte. Und bis dahin heißt es - dem guten Großvater Lenin nach: "Lernen, lernen, lernen!"
Freitag, 30. November 2012
Sonntag, 25. November 2012
Woche 13. Es wird eng
In unserer kleinen Kinderklinik wird es langsam eng. Am Montag kamen vier neue Leute dazu.
Zwei davon sind Blockpraktikanten aus Würzburg, sie studieren im 10. Semester und bleiben ca. 10 Tage. Am Ende müssen sie noch eine Epikrise schreiben, die sie als erstes unserem Chefarzt vorstellen, und dann noch im Seminar bei sich zu Hause. Die beiden, die wir jetzt haben, sind schon der dritte Durchgang, aber sie bleiben ja nicht lange.
Die anderen zwei nennen sich auch PJ-ler und kommen aus Wien. Sie werden jetzt vier Wochen bleiben und gehen praktisch mit uns gemeinsam. Bei denen denke ich aber am ehesten auch an Blockpraktika, denn es funktioniert so: Sie durchlaufen in den letzten zwei Jahren der Ausbildung verschiedene Bereiche, müssen immer wieder Prüfungen schreiben und haben auch Unterrichtswochen mit Seminaren. Na ja, das alles spielt aber letzendlich keine Rolle.
Diese vier, plus noch eine PJ-lerin aus Budapest (sie war sechs Wochen bei uns) mussten sich also auf die drei Stationen der Kinderklinik verteilen. Ich weiß nicht, wie es dazu kam, auf meine Station haben wir nur eine Blockpraktikantin bekommen. Ihr Kommilitone ging auf die Neo. Der ganze Rest (sprich, die zwei Österreicher plus die PJ-lerin aus Budapest) staute sich also auf meiner alten Station mit der Rettungstelle.
Laura, die andere Charité-PJ-lerin, die auf dieser Station noch bis zum Ende des Tertials arbeiten wird, war natürlich nicht sehr erfreut über diese Entwicklung. Die dritte PJ-lerin wollte auch schon längst von der Neo weg, und wir haben abgesprochen, dass sie die letzten drei Wochen immer zum Spätdienst in die Rettungsstelle kommt. Nun kommen aber noch die ganzen anderen Studenten dazu.
Zugegeben, es gibt auf der Station gar nicht so viel Aufgaben, als dass man sich vernünftig aufteilen könnte. Außerdem sind die Ärzte sichtlich überfordert von so vielen Studenten und haben dementsprechend weniger Motivation, einem etwas beizubringen.
Wir waren inzwischen sogar im Chefsekretariat um nachzufragen, von wem diese komische Aufteilung der Plätze kommt. Doch die Sekretärin konnte uns nicht weiterhelfen, denn der Chefarzt höchstpersönlich habe die Zusagen erteilt und die Studenten so wie sie sind auf die Stationen platziert.
Da meine alte Station mit so vielen Leuten gerade aus allen Nähten platzt, mussten sich alle zusammensetzen und einen Rotationsplan erstellen. Demzufolge muss immer jemand auf den Spätdienst ausweichen, die Wiener gehen für jeweils zwei Wochen auf die Neo, und mit einer ausgeklügelten Kombination der Studientage kann man es erreichen, dass nur einer (oder höchstens zwei) auf der Station ist. Wie dem auch sei, so viel Zeit in der Pädiatrie bleibt uns nicht mehr, in nur drei Wochen fängt schon das nächste Tertial an.
Zwei davon sind Blockpraktikanten aus Würzburg, sie studieren im 10. Semester und bleiben ca. 10 Tage. Am Ende müssen sie noch eine Epikrise schreiben, die sie als erstes unserem Chefarzt vorstellen, und dann noch im Seminar bei sich zu Hause. Die beiden, die wir jetzt haben, sind schon der dritte Durchgang, aber sie bleiben ja nicht lange.
Die anderen zwei nennen sich auch PJ-ler und kommen aus Wien. Sie werden jetzt vier Wochen bleiben und gehen praktisch mit uns gemeinsam. Bei denen denke ich aber am ehesten auch an Blockpraktika, denn es funktioniert so: Sie durchlaufen in den letzten zwei Jahren der Ausbildung verschiedene Bereiche, müssen immer wieder Prüfungen schreiben und haben auch Unterrichtswochen mit Seminaren. Na ja, das alles spielt aber letzendlich keine Rolle.
Diese vier, plus noch eine PJ-lerin aus Budapest (sie war sechs Wochen bei uns) mussten sich also auf die drei Stationen der Kinderklinik verteilen. Ich weiß nicht, wie es dazu kam, auf meine Station haben wir nur eine Blockpraktikantin bekommen. Ihr Kommilitone ging auf die Neo. Der ganze Rest (sprich, die zwei Österreicher plus die PJ-lerin aus Budapest) staute sich also auf meiner alten Station mit der Rettungstelle.
Laura, die andere Charité-PJ-lerin, die auf dieser Station noch bis zum Ende des Tertials arbeiten wird, war natürlich nicht sehr erfreut über diese Entwicklung. Die dritte PJ-lerin wollte auch schon längst von der Neo weg, und wir haben abgesprochen, dass sie die letzten drei Wochen immer zum Spätdienst in die Rettungsstelle kommt. Nun kommen aber noch die ganzen anderen Studenten dazu.
Zugegeben, es gibt auf der Station gar nicht so viel Aufgaben, als dass man sich vernünftig aufteilen könnte. Außerdem sind die Ärzte sichtlich überfordert von so vielen Studenten und haben dementsprechend weniger Motivation, einem etwas beizubringen.
Wir waren inzwischen sogar im Chefsekretariat um nachzufragen, von wem diese komische Aufteilung der Plätze kommt. Doch die Sekretärin konnte uns nicht weiterhelfen, denn der Chefarzt höchstpersönlich habe die Zusagen erteilt und die Studenten so wie sie sind auf die Stationen platziert.
Da meine alte Station mit so vielen Leuten gerade aus allen Nähten platzt, mussten sich alle zusammensetzen und einen Rotationsplan erstellen. Demzufolge muss immer jemand auf den Spätdienst ausweichen, die Wiener gehen für jeweils zwei Wochen auf die Neo, und mit einer ausgeklügelten Kombination der Studientage kann man es erreichen, dass nur einer (oder höchstens zwei) auf der Station ist. Wie dem auch sei, so viel Zeit in der Pädiatrie bleibt uns nicht mehr, in nur drei Wochen fängt schon das nächste Tertial an.
Freitag, 16. November 2012
Woche 12. Meine erste Diagnose
Diese Woche durfte ich eine sehr angenehme Überraschung erleben, der, glaube ich, irgendwann jeder Mediziner begegnet und an die zweifelsohne jeder sich erinnern kann. Ich habe meine erste Diagnose richtig gestellt.
Es ging so: Auf der Station, wo ich gerade bin, liegen auch Kinder, die zu den geplanten OPs kommen. Ein Tag vor der Operation kommen sie zur vorstationären Aufnahme, wo alle Papiere schon mal vorbereitet werden und das Kind untersucht und auf seine OP-Fähigkeit geprüft wird. Es hat sich so ergeben, dass ich mich letzte Woche um diese Aufgaben gekümmert habe.
Am Dienstag habe ich wie immer eine Familie ins Aufnahmezimmer gebeten, mich vorgestellt (inkl. des Studentenstatus) und ihnen versichert, dass, wenn irgendwas suspektes vorkommt, noch ein Arzt das Kind untersuchen wird. Darauf die Mutter: "Ja, mir wäre es sehr lieb, wenn Sie noch eine Zweitmeinung holen würden. Beim letzten Mal hat auch so ein Anfänger David untersucht und beim ihm irgendein Herzgeräusch gehört. Daraufhin wurde die Operation gecancelled und wir wurden durch das ganze Haus gejagt zur Abklärung, bei der nichts mehr rauskam. Ihr Chefarzt war damals sehr sauer. Es wäre nicht passiert wenn man sofort eine Zweitmeinung von einem erfahrenen eingeholt hätte".
Schön gewarnt, habe ich mich besonders dem Herzen des Jungen gewidmet und sehr aufmerksam darauf gehört. Doch die Herztöne waren tatsächlich unauffällig, und es bestand kein Grund, die Operation abzusagen.
Die nächste Familie war die letzte Aufnahme für diesen Tag. Das Kind, ein 3,5-jähriger Junge, machte einen sehr guten Eindruck. Er spielte fröhlich mit seiner Mama und der Tante und schien in bester Gesundheit zu sein.
So dachte ich mir, dass dies nur eine Routine-Untersuchung sein wird. Doch als ich ihn auskultiert habe, hörte ich plötzlich sehr deutlich ein Herzgeräusch. Im ersten Augenblick dachte ich nur, ich bilde es mir ein, wegen der Geschichte mit dem Jungen davor. Aber nicht - da ist es ja, tatsächlich!.. Schnell nachgefragt - nein, am Herzen sei nichts bekannt. Hmmm, was nun?
Es ist schön, dass ich als Studentin immer Ärzte als Backup habe. Der Familie habe ich nur vorsichtig gesagt, dass ich am Herzen ein Geräusch höre, zu Sicherheit aber den Jungen noch von erfahrenen Kollegen würde untersuchen lassen. Wir gingen auf die Station. Die erste Ärztin hörte auf den Brustkorb: Und nickte sofort, das Geräusch ist wirklich da. (Ich habe es mir also nicht einfach eingebildet!..) Sie holte eine andere, die schon am Ende ihrer Ausbildung ist, die hörte das Geräusch auch. In der Zeit hat die erste Ärztin mit dem Oberarzt telefoniert, er sagte, er würde gerne einen Ultraschall vom Herzen machen. Und die Familie ging zum Oberarzt in die Tagesklinik.
Aus dem Auge - aus dem Sinn. Ich kümmerte mich um andere Aufgaben und vergaß die Familie. Doch 2 Stunden später, als ich essen gehen wollte, kam die erste Ärtztin zu mir und meinte: "Die Operation ist übrigens abgesagt worden. Der Junge hat tatsächlich eine Aortenklappenstenose, im Ultraschall bestätigt. Gut gehört!"
Zuerst war ich geschockt. Doch dann dachte ich mir: "Schön, das neue Stethoskop hat sich ja wirklich gelohnt!.." Es war ein sehr schöner Moment.
Das Problem ist nur, dass ich mich seitdem wirklich zurückhalten muss, um nicht bei jedem verschiedenste Herzgeräusche feststellen zu meinen. Jetzt wird Zeit, mir die Normalbefunde einzuprägen!
Es ging so: Auf der Station, wo ich gerade bin, liegen auch Kinder, die zu den geplanten OPs kommen. Ein Tag vor der Operation kommen sie zur vorstationären Aufnahme, wo alle Papiere schon mal vorbereitet werden und das Kind untersucht und auf seine OP-Fähigkeit geprüft wird. Es hat sich so ergeben, dass ich mich letzte Woche um diese Aufgaben gekümmert habe.
Am Dienstag habe ich wie immer eine Familie ins Aufnahmezimmer gebeten, mich vorgestellt (inkl. des Studentenstatus) und ihnen versichert, dass, wenn irgendwas suspektes vorkommt, noch ein Arzt das Kind untersuchen wird. Darauf die Mutter: "Ja, mir wäre es sehr lieb, wenn Sie noch eine Zweitmeinung holen würden. Beim letzten Mal hat auch so ein Anfänger David untersucht und beim ihm irgendein Herzgeräusch gehört. Daraufhin wurde die Operation gecancelled und wir wurden durch das ganze Haus gejagt zur Abklärung, bei der nichts mehr rauskam. Ihr Chefarzt war damals sehr sauer. Es wäre nicht passiert wenn man sofort eine Zweitmeinung von einem erfahrenen eingeholt hätte".
Schön gewarnt, habe ich mich besonders dem Herzen des Jungen gewidmet und sehr aufmerksam darauf gehört. Doch die Herztöne waren tatsächlich unauffällig, und es bestand kein Grund, die Operation abzusagen.
Die nächste Familie war die letzte Aufnahme für diesen Tag. Das Kind, ein 3,5-jähriger Junge, machte einen sehr guten Eindruck. Er spielte fröhlich mit seiner Mama und der Tante und schien in bester Gesundheit zu sein.
So dachte ich mir, dass dies nur eine Routine-Untersuchung sein wird. Doch als ich ihn auskultiert habe, hörte ich plötzlich sehr deutlich ein Herzgeräusch. Im ersten Augenblick dachte ich nur, ich bilde es mir ein, wegen der Geschichte mit dem Jungen davor. Aber nicht - da ist es ja, tatsächlich!.. Schnell nachgefragt - nein, am Herzen sei nichts bekannt. Hmmm, was nun?
Es ist schön, dass ich als Studentin immer Ärzte als Backup habe. Der Familie habe ich nur vorsichtig gesagt, dass ich am Herzen ein Geräusch höre, zu Sicherheit aber den Jungen noch von erfahrenen Kollegen würde untersuchen lassen. Wir gingen auf die Station. Die erste Ärztin hörte auf den Brustkorb: Und nickte sofort, das Geräusch ist wirklich da. (Ich habe es mir also nicht einfach eingebildet!..) Sie holte eine andere, die schon am Ende ihrer Ausbildung ist, die hörte das Geräusch auch. In der Zeit hat die erste Ärztin mit dem Oberarzt telefoniert, er sagte, er würde gerne einen Ultraschall vom Herzen machen. Und die Familie ging zum Oberarzt in die Tagesklinik.
Aus dem Auge - aus dem Sinn. Ich kümmerte mich um andere Aufgaben und vergaß die Familie. Doch 2 Stunden später, als ich essen gehen wollte, kam die erste Ärtztin zu mir und meinte: "Die Operation ist übrigens abgesagt worden. Der Junge hat tatsächlich eine Aortenklappenstenose, im Ultraschall bestätigt. Gut gehört!"
Zuerst war ich geschockt. Doch dann dachte ich mir: "Schön, das neue Stethoskop hat sich ja wirklich gelohnt!.." Es war ein sehr schöner Moment.
Das Problem ist nur, dass ich mich seitdem wirklich zurückhalten muss, um nicht bei jedem verschiedenste Herzgeräusche feststellen zu meinen. Jetzt wird Zeit, mir die Normalbefunde einzuprägen!
Freitag, 9. November 2012
Woche 11. Hauptsache gesund
Der Wechsel auf die nächste Station verlief ganz angenehm (auch wenn recht chaotisch): Diese Woche fehlen 2 Ärzte, und auf meiner alten Station musste sogar die Rettungsstelle von der PJ-lerin besetzt werden, weil die einzige Ärztin dort die Station gemacht hat. Da, wo ich jetzt bin, sind immerhin 2 Assistenzärzte + 1 Oberärztin unterwegs, sodass wir es ein bisschen leichter haben.
Trotzdem war der Montag ziemlich stressig. Die Stationsärztin kam gerade aus einem dreiwöchigen Urlaub und musste erstmal zurück in die Routine finden. Ich war eben den ersten Tag da und wusste auch nichts bescheid. Wir haben also gemeinsam nach der Orientierung gesucht, und ich hoffe, gefunden. Am Donnerstag war ich aber noch platter als sonst nach Hause gekommen, und mir erst mal einen schönen ruhigen Abend gegöhnt.
Diese Woche war wieder so eine, wo mir vieles durch den Kopf gegangen ist. Diesmal habe ich mich mit dem Thema "Schwerbehinderte Kinder" auseinander gesetzt.
Am Dienstag habe ich die Liste für die Röntgenbesprechung vorbereitet. Unter vielen Kindern mit Unterarmfraktur gab es auch einen Jungen, der mir immer noch in Erinnerung bleibt. Ich habe ihn nicht gekannt, und ich kenne seine Eltern auch nicht, aber seine Geschichte werde ich wohl nicht so schnell wieder vergessen.
Der Kleine ist inzwischen 1 Jahr alt. Er wurde in Russland geboren, nach einer ganz normal verlaufenen Schwangerschaft. Die ersten vier Wochen seiner Entwicklung waren auch unauffällig, er lernte die Welt kennen, fing vielleicht sogar langsam an zu lächeln.
Doch dann veränderte sich alles. An einem Tag schrie der Junge mehrere Stunden lang, und ließ sich nicht beruhigen. Die Eltern brachten ihn ins nächste Krankenhaus, dort stellte man eine enorme Hirnblutung fest.
Auch heute weiß keiner, wieso er auf einmal so stark geblutet hat. Die Ärzte bei uns tippen auf einen Vitamin-K-Mangel, weil es in Russland nicht üblich ist, die Neugeborenen prophylaktisch mit Vitamin K zu versorgen, und die Muttermilch zu wenig davon enthält. Dieses Vitamin ist wichtig für die Bildung vieler Gerinnungsfaktoren, ohne es droht die Gefahr schwerer Blutungen. Wie es in diesem Fall wohl war.
Als die Bilder vom Jungen in der Röntgenbesprechung gezeigt wurden, hielten alle inne. Wir sahen fast komplett zerstörtes Hirngewebe, nur in der Hirnrinde war noch etwas Leben.
Wie gesagt, ich kenne den kleinen Patienten nicht, und ich weiß nicht, wie er jetzt klinisch aussieht. Aber so viel wird da höchstwahrscheinlich nicht mehr zu machen sein.
Der andere Patient, den ich auch diese Woche persönlich kennenlernte, ist schon größer, ungefähr zwei Jahre alt, und kommt aus Estland. Bei ihm war die Schwangerschaft ebenfalls unauffällig, genauso wie die Geburt. Heute kann er immer noch nicht gehen, er spricht nicht, und keiner weiß, ob er sich noch weiter entwickeln kann und wie viel er von der Außenwelt überhaupt wahrnimmt. Seine Hirnhäute haben sich am 7. Lebenstag infiziert, dann ging die Entzündung auf das Hirngewebe und die Ventrikel über. Dabei wurde auch fast das komplette Gehirn zerstört, im MRT sahen wir nur Narben.
Die Geschichten dieser beiden Kinder gehen mir sehr nah ans Herz. Ich stelle mir vor, wie die Mütter von der Schwangerschaft erfuhren, wie sie und ihre Familien sich auf den Nachwuchs freuten. Wie sie Angst vor der Geburt hatten, aber auch erleichtert waren, als alles vorbei war, und sie ihre Kleinen das erste Mal im Arm hatten. Wie die frohe Botschaft von einem zum anderen ging: Wir haben einen Sohn, einen Enkelsohn, einen Neffen!.. Und dann auf einmal steht die Welt kopf, und keiner weiß mehr, wohin die Reise geht. Was erwartet sie? Wie lange wird das Kind noch leben? Hält die Familie unter dieser enormen Belastung zusammen oder zerbricht sie, wie leider so häufig? Werden die Eltern noch einen Versuch wagen, oder sind sie so fertig mit den Nerven, dass die Kinderfrage für sie für immer und ewig kein Thema mehr sein wird?
Solche Geschichten vergisst man nie. Und ich weiß, wie die Antwort auf die Frage "Wilsst Du einen Jungen oder ein Mädchen?" in Zukunft lauten soll: "Hauptsache gesund".
Trotzdem war der Montag ziemlich stressig. Die Stationsärztin kam gerade aus einem dreiwöchigen Urlaub und musste erstmal zurück in die Routine finden. Ich war eben den ersten Tag da und wusste auch nichts bescheid. Wir haben also gemeinsam nach der Orientierung gesucht, und ich hoffe, gefunden. Am Donnerstag war ich aber noch platter als sonst nach Hause gekommen, und mir erst mal einen schönen ruhigen Abend gegöhnt.
Diese Woche war wieder so eine, wo mir vieles durch den Kopf gegangen ist. Diesmal habe ich mich mit dem Thema "Schwerbehinderte Kinder" auseinander gesetzt.
Am Dienstag habe ich die Liste für die Röntgenbesprechung vorbereitet. Unter vielen Kindern mit Unterarmfraktur gab es auch einen Jungen, der mir immer noch in Erinnerung bleibt. Ich habe ihn nicht gekannt, und ich kenne seine Eltern auch nicht, aber seine Geschichte werde ich wohl nicht so schnell wieder vergessen.
Der Kleine ist inzwischen 1 Jahr alt. Er wurde in Russland geboren, nach einer ganz normal verlaufenen Schwangerschaft. Die ersten vier Wochen seiner Entwicklung waren auch unauffällig, er lernte die Welt kennen, fing vielleicht sogar langsam an zu lächeln.
Doch dann veränderte sich alles. An einem Tag schrie der Junge mehrere Stunden lang, und ließ sich nicht beruhigen. Die Eltern brachten ihn ins nächste Krankenhaus, dort stellte man eine enorme Hirnblutung fest.
Auch heute weiß keiner, wieso er auf einmal so stark geblutet hat. Die Ärzte bei uns tippen auf einen Vitamin-K-Mangel, weil es in Russland nicht üblich ist, die Neugeborenen prophylaktisch mit Vitamin K zu versorgen, und die Muttermilch zu wenig davon enthält. Dieses Vitamin ist wichtig für die Bildung vieler Gerinnungsfaktoren, ohne es droht die Gefahr schwerer Blutungen. Wie es in diesem Fall wohl war.
Als die Bilder vom Jungen in der Röntgenbesprechung gezeigt wurden, hielten alle inne. Wir sahen fast komplett zerstörtes Hirngewebe, nur in der Hirnrinde war noch etwas Leben.
Wie gesagt, ich kenne den kleinen Patienten nicht, und ich weiß nicht, wie er jetzt klinisch aussieht. Aber so viel wird da höchstwahrscheinlich nicht mehr zu machen sein.
Der andere Patient, den ich auch diese Woche persönlich kennenlernte, ist schon größer, ungefähr zwei Jahre alt, und kommt aus Estland. Bei ihm war die Schwangerschaft ebenfalls unauffällig, genauso wie die Geburt. Heute kann er immer noch nicht gehen, er spricht nicht, und keiner weiß, ob er sich noch weiter entwickeln kann und wie viel er von der Außenwelt überhaupt wahrnimmt. Seine Hirnhäute haben sich am 7. Lebenstag infiziert, dann ging die Entzündung auf das Hirngewebe und die Ventrikel über. Dabei wurde auch fast das komplette Gehirn zerstört, im MRT sahen wir nur Narben.
Die Geschichten dieser beiden Kinder gehen mir sehr nah ans Herz. Ich stelle mir vor, wie die Mütter von der Schwangerschaft erfuhren, wie sie und ihre Familien sich auf den Nachwuchs freuten. Wie sie Angst vor der Geburt hatten, aber auch erleichtert waren, als alles vorbei war, und sie ihre Kleinen das erste Mal im Arm hatten. Wie die frohe Botschaft von einem zum anderen ging: Wir haben einen Sohn, einen Enkelsohn, einen Neffen!.. Und dann auf einmal steht die Welt kopf, und keiner weiß mehr, wohin die Reise geht. Was erwartet sie? Wie lange wird das Kind noch leben? Hält die Familie unter dieser enormen Belastung zusammen oder zerbricht sie, wie leider so häufig? Werden die Eltern noch einen Versuch wagen, oder sind sie so fertig mit den Nerven, dass die Kinderfrage für sie für immer und ewig kein Thema mehr sein wird?
Solche Geschichten vergisst man nie. Und ich weiß, wie die Antwort auf die Frage "Wilsst Du einen Jungen oder ein Mädchen?" in Zukunft lauten soll: "Hauptsache gesund".
Freitag, 2. November 2012
Woche 10. Zwischenbilanz
Die Zeit rennt - nun steht schon der zweite Stationswechsel bevor. Ab nächster Woche bin ich auf der anderen Station, meiner letzten in diesem Tertial.
Als ich damals im August das praktische Jahr begann, kam es mir so unendlich lange vor. Und nun wir die Wochenzahl auf einmal zweistellig.
Ich habe mich inzwischen hier im Krankenhaus gut eingelebt. Mein kleines Notizbuch mit nützlichen Telefonnummern, Web-Adressen und Passwörtern hilft mir immer (und enthält manche Informationen, die nicht mal manchen Ärzten bekannt sind). Ärzte, aber auch Krankenschwester, kennen mich inzwischen, sowie meine spezielle Fähigkeit (Russischkenntnisse eben ;-) ). All dies ist hart erarbeitet, wird aber in wenigen Wochen nicht mehr vom Nutzen sein.
Ja, nur noch 6 Wochen, und dann muss ich adieu zu Pädiatrie sagen (wahrscheinlich für immer). Es ist irgendwie schon ein bisschen schade (die Kleinen können halt so furchtbar süß sein!), aber ich weiß, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Als ich damals im August das praktische Jahr begann, kam es mir so unendlich lange vor. Und nun wir die Wochenzahl auf einmal zweistellig.
Ich habe mich inzwischen hier im Krankenhaus gut eingelebt. Mein kleines Notizbuch mit nützlichen Telefonnummern, Web-Adressen und Passwörtern hilft mir immer (und enthält manche Informationen, die nicht mal manchen Ärzten bekannt sind). Ärzte, aber auch Krankenschwester, kennen mich inzwischen, sowie meine spezielle Fähigkeit (Russischkenntnisse eben ;-) ). All dies ist hart erarbeitet, wird aber in wenigen Wochen nicht mehr vom Nutzen sein.
Ja, nur noch 6 Wochen, und dann muss ich adieu zu Pädiatrie sagen (wahrscheinlich für immer). Es ist irgendwie schon ein bisschen schade (die Kleinen können halt so furchtbar süß sein!), aber ich weiß, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
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