Sieh an, sieh an! Wen haben wir denn da?
Ja, nach fast drei Jahren Pause bin ich zu meinem Blog zurückgekehrt. Ich habe eigentlich nie aufgehört daran zu denken, und trotzdem hier nichts geschrieben. Dafür gibt es zwei Gründe.
Grund Nummer eins. Vor gut zwei Jahren habe ich dem klinischen Alltag vorerst den Rücken gekehrt und meine Seele an die freie Wirtschaft verkauft. Jetzt bin ich bei einem Unternehmen für Medizintechnik tätig, habe geregelte Arbeitszeiten, einen festen Arbeitsplatz und jeden Tag Mittagspause (jaja, Sachen gibt es!..). Was ich nicht habe: Nacht- und Wochenendschichten sowie Notfälle jeglicher Art, bei uns geht alles sehr geregelt zu.
Grund Nummer zwei (der ein bisschen den Grund Nummer eins erklärt). In den letzten drei Jahren habe ich zwei Kinder bekommen, und meine freie Zeit ist nun wirklich rar geworden. Anfangs habe ich sie viel lieber mit Schlaf ausgefüllt (wie war das nochmal bei Marc-Uwe Kling? Zitat von einem frischgebackenen Papa - "Mein Körper ist wie ein Schwamm, der den Schlaf aufsaugt", darüber kann man nur lachen, wenn man noch keine Kinder hat!!!), aber inzwischen ist der alte Drang zu schreiben viel stärker geworden, deswegen kehre ich nun zurück.
Ich weiß allerdings noch nicht, was meine Themen nun sein werden. Zugegebenermaßen ist die Arbeit im Büro nicht so spektakulär wie "piep-piep-piep", "Ziehe schnell 20 Mo auf" und "Wir verlieren ihn!!!" (deswegen gibt es - außer "Stromberg" vielleicht - keine erfolgreichen Büro-Serien), aber ich denke, mir fällt schon was ein. Nur die Augen und die Ohren offen halten und für neue Erlebnisse bereit sein!
Abenteuer im PJ
Sonntag, 3. März 2019
Dienstag, 10. Mai 2016
Mein Weg in die Medizin
Schon vor sehr, sehr, sehr, ..., sehr, sehr langer Zeit bin ich hier im Blog gefragt worden, wie ich nun in die Medizin gefunden habe. Tja, und hier kommt die Antwort!
Also... Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Wahrscheinlich im Sommerpraktikum nach der 7. oder 8. Klasse, wo ich in der Bibliothek der Schule aushelfen (sprich aufräumen) war. Da fragte mich die Bibliothekarin, was ich nach der Schule so machen will, und hat meine Antwort missverstanden - "Ärztin willst Du also werden, schön!".
So, das war meine erste Berührung mit der Welt im weißen Kittel! Natürlich habe ich es damals nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Um Medizin zu studieren hätte ich aus meiner Heimatstadt gemusst, und dafür fehlte mir, einem 16-jährigen Mädchen (in Russland macht man sehr früh Abi) die Mut.
Ich bin also als erstes Ingenieur geworden. Auch ein schöner Beruf, wenn man's bedenkt. Aber ich wollte mit 22 (ach ja, nach dem Abi geht man meistens direkt studieren) noch nicht meine Karriere starten, die 40 Jahre später mit dem Rentenantritt enden sollte. Stattdessen wollte ich etwas von der Welt sehen, was erleben, neue Menschen kennenlernen. Dafür hat sich plötzlich eine Möglichkeit geboten, als Au-Pair nach Deutschland zu kommen.
Das habe ich dann getan und ein sehr schönes Jahr in einer lieben Familie im Großraum Frankfurt / Main verbracht. Die Zeit dort war toll, hat mich mit unglaublich vielen neuen Eindrücken beschert und natürlich mit jeder Menge neuer Bekanntschaften. Und eine wichtige Entdeckung habe ich noch gemacht: Während des Unterrichts in den Deutsch-Kursen fiel mir auf, dass ich enorm gerne lerne! Ich habe anscheinend nach der Schule und dem ersten Studium noch nicht den Spaß am Erwerb neuer Informationen verloren, und habe daher beschlossen: Ich will noch ein mal studieren!
Tja, und was denn? Hmm, mal schauen. Eine technische Ausbildung habe ich schon. Geisteswissenschaften - never ever, damit könnt Ihr mich jagen! Was bleibt? Naturwissenschaften. Schön, Bio fand ich in der Schule ja schon immer cool! Hinzu kam, dass meine Gastmutter ausgerechnet Ärztin war - die Entscheidung fiel, Medizin soll es also werden!
Um meine Chancen auf einen Studienplatz zu erhöhen, habe ich mich gleich in mehreren Städten beworden: Frankfurt, Berlin und Gießen. Berlin habe ich durch meine "Gastoma" kennen und lieben gelernt, daher war das meine Prio Eins. Wie schön, dass ich von der Charité auch eine Zusage kriegte! (Eigentlich habe ich von allen drei Unis einen Zulassungsbescheid bekommen, da war mein 1,0-Durchschnitt aus dem Abi und dem Diplomstudium sehr hilfreich!) Noch schöner wurde es, als ich erfuhr, dass ich im begehrten Reformstudiengang studieren darf - als eine der 63 Erstis.
Über den Reformstudiengang muss ich vielleicht auch mal schreiben - den gibt es inzwischen leider nicht mehr. Ganz kurz - seinem Curriculum verdanke ich meinen Abschluss. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob ich das Studium in seiner traditionellen Form (also Vorklinikum, Physikum, Klinikum, mit einzelnen Fächern und jeweils einzelnen Prüfungen) geschafft hätte. Im Reformstudiengang gab es stattdessen Blöcke, und schlechtere Kenntnisse in einem Fach konnte man mit guter Leistung in einem anderen ausgleichen. (Anatomie, wir sind nie Freunde geworden!) Dass es kein Physikum für uns gab, war quasi noch das Sahnehäubchen!
Nichtsdestotrotz hatte ich in den ersten Semestern sehr viel am Lernstoff zu knabbern! Anspruchsvolles Studium, und das in einer Fremdsprache, und das ohne je genügend Lerntechnicken kennengelernt zu haben! In den ersten Wochen habe ich jedes (auch fakultative) Seminar besucht, bis abends spät noch in der Bib oder mit den 3D-Modellen gearbeitet, alles was ging auswendig gelernt... Und das konnte nicht gut ausgehen. Nicht mal zwei Monate nach dem Semesterbeginn wäre ich in der Uni beinahe umgekippt. Ich weiß nicht mehr, wie ich nach Hause fand, aber ich blieb danach drei Tage im Bett und konnte einfach nicht mehr aufstehen.
Als ich mich schließlich wieder auf die Beine traute, wurde mir klar, dass ich meinen Umgang mit dem Riesenberg neuer Informationen ändern muss. Ohne mir dessen bewusst zu sein, wandte ich die Grundregel des Zeitmanagements an: priorisieren. Um das Studium erfolgreich abzuschließen, muss ich Prüfungen bestehen. Um Prüfungen zu bestehen, muss ich Lernziele für jeden Block beherrschen - darum ging es, nicht mehr und nicht weniger.
Das habe ich dann gemacht. Ich sah nicht mehr in jeder Univeranstaltung drin, meine Zeit vergeudend, sondern lernte viel mehr alleine - und später in Lerngruppen - mit den Büchern, in meinem Tempo, und ließ mir die Zeit, die ich brauchte. Mit jedem weiteren Semester wurde es leichter, ich gewann an Überblick und wusste, worauf ich mich beim Lernen konzentrieren soll.
Alles in allem war mein Studium kein Spaziergang. Es forderte viel von mir ab. Aber es gab mir auch unheimlich viel zurück - neue Erfahrungen, neue Freundschaften, neue Perspektiven - sodass ich meine Entscheidung, diesen Weg anzuschlagen nie und niemals bereut habe. Und es wird hoffentlich auch in der Zukunft so bleiben.
Also... Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Wahrscheinlich im Sommerpraktikum nach der 7. oder 8. Klasse, wo ich in der Bibliothek der Schule aushelfen (sprich aufräumen) war. Da fragte mich die Bibliothekarin, was ich nach der Schule so machen will, und hat meine Antwort missverstanden - "Ärztin willst Du also werden, schön!".
So, das war meine erste Berührung mit der Welt im weißen Kittel! Natürlich habe ich es damals nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Um Medizin zu studieren hätte ich aus meiner Heimatstadt gemusst, und dafür fehlte mir, einem 16-jährigen Mädchen (in Russland macht man sehr früh Abi) die Mut.
Ich bin also als erstes Ingenieur geworden. Auch ein schöner Beruf, wenn man's bedenkt. Aber ich wollte mit 22 (ach ja, nach dem Abi geht man meistens direkt studieren) noch nicht meine Karriere starten, die 40 Jahre später mit dem Rentenantritt enden sollte. Stattdessen wollte ich etwas von der Welt sehen, was erleben, neue Menschen kennenlernen. Dafür hat sich plötzlich eine Möglichkeit geboten, als Au-Pair nach Deutschland zu kommen.
Das habe ich dann getan und ein sehr schönes Jahr in einer lieben Familie im Großraum Frankfurt / Main verbracht. Die Zeit dort war toll, hat mich mit unglaublich vielen neuen Eindrücken beschert und natürlich mit jeder Menge neuer Bekanntschaften. Und eine wichtige Entdeckung habe ich noch gemacht: Während des Unterrichts in den Deutsch-Kursen fiel mir auf, dass ich enorm gerne lerne! Ich habe anscheinend nach der Schule und dem ersten Studium noch nicht den Spaß am Erwerb neuer Informationen verloren, und habe daher beschlossen: Ich will noch ein mal studieren!
Tja, und was denn? Hmm, mal schauen. Eine technische Ausbildung habe ich schon. Geisteswissenschaften - never ever, damit könnt Ihr mich jagen! Was bleibt? Naturwissenschaften. Schön, Bio fand ich in der Schule ja schon immer cool! Hinzu kam, dass meine Gastmutter ausgerechnet Ärztin war - die Entscheidung fiel, Medizin soll es also werden!
Um meine Chancen auf einen Studienplatz zu erhöhen, habe ich mich gleich in mehreren Städten beworden: Frankfurt, Berlin und Gießen. Berlin habe ich durch meine "Gastoma" kennen und lieben gelernt, daher war das meine Prio Eins. Wie schön, dass ich von der Charité auch eine Zusage kriegte! (Eigentlich habe ich von allen drei Unis einen Zulassungsbescheid bekommen, da war mein 1,0-Durchschnitt aus dem Abi und dem Diplomstudium sehr hilfreich!) Noch schöner wurde es, als ich erfuhr, dass ich im begehrten Reformstudiengang studieren darf - als eine der 63 Erstis.
Über den Reformstudiengang muss ich vielleicht auch mal schreiben - den gibt es inzwischen leider nicht mehr. Ganz kurz - seinem Curriculum verdanke ich meinen Abschluss. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob ich das Studium in seiner traditionellen Form (also Vorklinikum, Physikum, Klinikum, mit einzelnen Fächern und jeweils einzelnen Prüfungen) geschafft hätte. Im Reformstudiengang gab es stattdessen Blöcke, und schlechtere Kenntnisse in einem Fach konnte man mit guter Leistung in einem anderen ausgleichen. (Anatomie, wir sind nie Freunde geworden!) Dass es kein Physikum für uns gab, war quasi noch das Sahnehäubchen!
Nichtsdestotrotz hatte ich in den ersten Semestern sehr viel am Lernstoff zu knabbern! Anspruchsvolles Studium, und das in einer Fremdsprache, und das ohne je genügend Lerntechnicken kennengelernt zu haben! In den ersten Wochen habe ich jedes (auch fakultative) Seminar besucht, bis abends spät noch in der Bib oder mit den 3D-Modellen gearbeitet, alles was ging auswendig gelernt... Und das konnte nicht gut ausgehen. Nicht mal zwei Monate nach dem Semesterbeginn wäre ich in der Uni beinahe umgekippt. Ich weiß nicht mehr, wie ich nach Hause fand, aber ich blieb danach drei Tage im Bett und konnte einfach nicht mehr aufstehen.
Als ich mich schließlich wieder auf die Beine traute, wurde mir klar, dass ich meinen Umgang mit dem Riesenberg neuer Informationen ändern muss. Ohne mir dessen bewusst zu sein, wandte ich die Grundregel des Zeitmanagements an: priorisieren. Um das Studium erfolgreich abzuschließen, muss ich Prüfungen bestehen. Um Prüfungen zu bestehen, muss ich Lernziele für jeden Block beherrschen - darum ging es, nicht mehr und nicht weniger.
Das habe ich dann gemacht. Ich sah nicht mehr in jeder Univeranstaltung drin, meine Zeit vergeudend, sondern lernte viel mehr alleine - und später in Lerngruppen - mit den Büchern, in meinem Tempo, und ließ mir die Zeit, die ich brauchte. Mit jedem weiteren Semester wurde es leichter, ich gewann an Überblick und wusste, worauf ich mich beim Lernen konzentrieren soll.
Alles in allem war mein Studium kein Spaziergang. Es forderte viel von mir ab. Aber es gab mir auch unheimlich viel zurück - neue Erfahrungen, neue Freundschaften, neue Perspektiven - sodass ich meine Entscheidung, diesen Weg anzuschlagen nie und niemals bereut habe. Und es wird hoffentlich auch in der Zukunft so bleiben.
Freitag, 8. April 2016
Zufallsbefund mit Konsequenzen
Der menschliche Körper ist ein unglaublich kompliziertes Ding! Egal
welche Ebene man nimmt – von der Molekularstruktur und biochemischen Prozessen
bis hin zu der Makroanatomie mit ihren unzähligen Details. Und was dermaßen kompliziert
aufgebaut ist, kann auch an jeder Stelle kaputt gehen.
Das ist dann die Aufgabe der Medizin: herauszufinden, was defekt ist,
und das möglichst gut reparieren. Das klappt mal besser mal schlechter – bei
ganz vielen Krankheitsbildern sind wir noch nicht schlauer als die Natur.
Der Weg bis zur Diagnose ist oft sehr steinig. Krankheiten, wie diese
kleinen Fieslinge in „Es war einmal das Leben“, verstecken sich, was das Zeug
hält. Alles, ehrlich gesagt, vollkommen nachvollziehbar: Sie wollen halt auch
überleben.
Umso mehr freut man sich, natürlich, wenn man diese Fieslinge entdeckt
und erkannt hat. Nicht umsonst ist Dr. House eine Berühmtheit in seiner Welt,
und nicht umsonst gibt es jetzt das Pendant seiner Abteilung an einer der
deutschen Uni. Erst wenn man die richtige Diagnose gestellt hat, kann man die
Therapie einleiten und dem Patienten helfen.
So weit, so gut. Nicht so selten gibt es jedoch Geschichten, die etwas
anders verlaufen. Zahlreiche Krankheiten sind nämlich sehr gemein: Trägt man
sie im Körper, fällt es den anderen – und dem Körper selbst! – gar nicht auf.
Die Breite dieser Künstler des Versteckens kann sehr variabel sein, von
Tuberkulose bis Lungenkrebs, von kleinem Klappenfehler bis kurz vor
Herzinfarkt.
Beide Beispiele (Lungenkrebs und Herzinfarkt) habe ich bereits ziemlich
häufig gesehen. Umso gravierender sind dann die Folgen für die Patienten: Sie
kommen ins Krankenhaus und fühlen sich – meistens – fit, sie gehen und sind
schwerbehindert (im besten Falle).
Ein solcher Zufallsbefund wird mir wohl sehr lange in Erinnerung
bleiben. Ein Patient kam kurz vor Weihnachten ins Krankenhaus auf die
Einweisung seines Diabetologen. Mitte siebzig, sportlich, wie man gerne sagt – rustikal,
promovierter Zahnarzt, Mitglied in einem Wanderverein. Außer Diabetes keine
Vorerkrankungen, macht viel und gerne Sport. Dem Arzt war unregelmäßiger Puls
aufgefallen. Wir machten ein EKG: Alles klar, Erstmanifestation eines Vorhofflimmerns.
Die häufigste relevante Rhythmusstörung, das weitere Vorgehen schon tausendmal
durchgekaut – Elektrolyte checken und ggf. normalisieren, Wahrscheinlichkeit
eines Schlaganfalls berechnen, daraus die richtige Antikoagulation ableiten, 24
Stunden Langzeit-EKG (ob der normale Rhythmus von alleine zurückkehrt?),
ambulante Ischämiediagnostik empfehlen (beim niedergelassenen Kardiologen z.B.
mit Echokardiographie unter Belastung) und tschüss. Bereits nach der Aufnahme
habe ich schon den Entlassungsbrief diktiert – was sollte da noch kommen?
Am nächsten Morgen wollte ich mir vor der Visite noch die Telemetrie-Aufzeichnung
anschauen – um dem Patienten ruhigen Gewissens die gute Nachricht mit der
Entlassung überbringen zu können. Aha, das Vorhofflimmern ist immer noch da.
Antikoagulation braucht er auf jeden Fall, kriegt sie auch schon seit gestern.
Die Zeit habe ich noch: Gucke ich mir noch die Nacht durch. Klick, klick, aller
klar. Mooooomeeeeeeent!!!! Was ist denn das??? Auf dem Monitor – plötzlich –
Kammertachykardie* zu sehen, gleich mehrere Schläge nacheinander. Ich messe
aus: 15 Sekunden. Mir wird gleich voll bange. Mit diesem Befund kann ich den
Patienten auf keinen Fall entlassen!
Ich drucke den Streifen aus und renne zum Oberarzt. Vielleicht habe ich
mich ja verguckt? Er schaut auf das Zettelchen: Alles richtig, eine der
gefährlichsten Rhythmusstörungen, mitten in der Nacht! Sofort ins
Katheterlabor, heute noch!! Kammertachykardie kommt meistens nicht von alleine,
eine hochgradige Ischämie – also Unterversorgung des Herzens mit Blut – ist
sehr wahrscheinlich. Und das müssen wir sofort abklären.
Ein paar Anrufe später (Katheterlabor – bitte den Patienten auf den
Plan setzen, Küche – Herr W. bleibt bitte ab sofort nüchtern, Schwestern – die Telemetrie,
sprich, das Langzeit-EKG auf keinen Fall abnehmen!) traue ich mich auch ins
Patientenzimmer. Der besagte Herr ist in bester Laune, packt auch schon langsam
seine Sachen zusammen. Vorsichtig, ohne ihn von Kopf zu stoßen, erzähle ich von
dem gravierenden Befund. Das Lächeln schwindet langsam. Ja, natürlich, stimmt
er der Katheteruntersuchung zu. Was da jetzt wohl rauskommt?
Zwei Stunden später wissen wir das: höchstgradige KHK (koronare
Herzkrankheit), alle Herzgefäße sind betroffen, der Hauptstamm (also, die
Arterie, aus der zwei der drei Gefäße entspringen) zu 50% verschlossen. So
einen gravierenden Befund kann man auf dem Kathetertisch mit Ballons und Stents
nicht mehr gerade biegen. Es gibt nur eine Möglichkeit – Bypass-OP, Eingriff am
offenen Herzen.
Wiederum eine Stunde später habe ich schon einen Verlegungstermin ins
nächste Herzzentrum. Gleich morgen geht es los. Übermorgen wird der Patient
voraussichtlich operiert. Er ist natürlich etwas baff, so schnell kann man sich
aus scheinbarer Gesundheit in die Lebensgefahr begeben, versucht aber alles so
gelassen wie es geht hinzunehmen. Wir verabschieden uns mit einem Lächeln, ich
wünsche ihm vom Herzen alles Gute.
Alles in allem kann man hier vom großen Glück in Unglück sprechen: Wäre
die Kammertachykardie eben nicht in der Nacht der Überwachung aufgetreten,
hätte ich den Patienten ohne weiteres am nächsten Morgen entlassen. Und das mit
der tickenden Zeitbombe in der Brust – die man ja eben von draußen nicht
gesehen hat.
---
* - potenziell lebensgefährliche Rhythmusstörung, da sie quasi die
Vorstufe zum Kammerflimmern ist. Die Erregung der Herzzellen kommt nicht – wie im
Normalfall – aus dem Vorhof oder dem dahinter geschalteten Ersatzzentrum,
sondern aus der Kammerselbst, und zwar nicht als einzelner Schlag (was an sich
noch unbedenklich ist), sondern gleich mehrmals hintereinander und mit hoher Frequenz
– so um die 150-160 bpm. Je höher die Frequenz, desto höher die
Wahrscheinlichkeit, dass Zellen erregt werden, die sich elektrisch noch nicht
erholt haben (in der sog. „vulnerablen“ Phase), daraufhin kann es zu einer kreisenden
Erregung kommen und somit zum Kammerflimmern – die Herzwände flimmern nur, es
wird kein Blut fortbewegt. Die kreisende Erregung kann man nur mit einem
Defibrillator unterbrechen, und das muss sehr schnell gehen – innerhalt weniger
Minuten, sonst drohen bleibende Schäden und Tod.
Sonntag, 28. Februar 2016
Etwas off-top
Diese Woche ist etwas passiert, was eigentlich nichts mit Medizin zu tun hat und mich trotzdem so aus der Bahn warf, dass ich darüber unbedingt hier schreiben muss. Ich bin zum ersten Mal Opfer einer Straftat geworden.
Zum Glück ist dabei keiner verletzt worden. Es war "nur" ein Einbruch in unser Haus und ich kam als erste nach Hause und habe es daher als erste festgestellt. Die Diebe waren zu dem Zeitpunkt schon längst weg - mit unserem Hab und Gut.
Am Anfang habe ich es gar nicht so richtig begriffen. Beim Reinkommen sah ich im Flur neben meiner Tasche ein paar Sachen auf dem Boden liegen - und dachte, mein Mann hätte etwas darin gesucht. Als ich die Lichterkette im Arbeitszimmer anmachte, fiel mir eine halb rausgezogene Schublade auf, die ich ohne Hintergedanken zurückschob.
Erst als ich das eigeschlagene und geöffnete Fenster im Esszimmer sah, kam mir langsam in den Sinn, dass hier etwas nicht stimmt. Ich versuchte, nicht sofort in Panik zu geraten und rief die Polizei an.
Kurz darauf kam mein Mann nach Hause - er wusste inzwischen auch Bescheid. Wir gingen vorsichtig durch alle Zimmer um zu schauen, wie groß der Schaden war. In meinem Schlafzimmer standen alle Schränke offen, der Schmuck war offensichtlich durchwühlt und chaotisch hinterlassen worden.
Eine Stunde später war die Kriminalpolizei bei uns. Zwei nette Damen, die unserer kurzen Geschichte aufmerksam zuhörten und dann versuchten, alle möglichen Hinweise zu erfassen. Schuhabdruck auf dem Fensterbrett, Fingerabdruck auf dem Spiegelschrank - alles wurde penibelst untersucht und festgehalten.
Der Abend war sehr aufregend, ich konnte mich aber noch relativ gut beherrschen. Erst als ich im Laufe der nächsten Tage sah, was die Diebe alles gestohlen hatten, überkamen mich die Trauer und die Wut. Viele wichtige Dinge - z.B. mein Portemonnaie und die Papiere - hatten sie nicht gefunden. Dafür eben den Schmucktisch und meine Ketten, die für mich vom unheimlichen ideellen Wert waren!
Es ist so ein blödes Gefühl, zu wissen, dass jemand in Dein Zuhause, Deine Privatsphäre eingedrungen war und in Deinen Sachen rumwühlte! Wie soll ich mich hier je wieder wohl und sicher fühlen? Ich fürchte, daran werde ich noch Ewigkeit zu knabbern haben.
Und heute hatte ich noch einen interessanten Gedanken: Angenommen, die Leute, die mich jetzt bestohlen haben, kommen Jahre später zu mir als Arzt. Ich werde sie auch behandeln und ihnen mit Respekt gegenübertreten müssen - ich werde nie erfahren, wer mir das angetan hat. Das ist das blöde am Arztberuf: Egal, was die Patienten in ihrem Leben verbrochen haben mögen, als Arzt bist Du verpflichtet, zu helfen und zu heilen.
Zum Glück ist dabei keiner verletzt worden. Es war "nur" ein Einbruch in unser Haus und ich kam als erste nach Hause und habe es daher als erste festgestellt. Die Diebe waren zu dem Zeitpunkt schon längst weg - mit unserem Hab und Gut.
Am Anfang habe ich es gar nicht so richtig begriffen. Beim Reinkommen sah ich im Flur neben meiner Tasche ein paar Sachen auf dem Boden liegen - und dachte, mein Mann hätte etwas darin gesucht. Als ich die Lichterkette im Arbeitszimmer anmachte, fiel mir eine halb rausgezogene Schublade auf, die ich ohne Hintergedanken zurückschob.
Erst als ich das eigeschlagene und geöffnete Fenster im Esszimmer sah, kam mir langsam in den Sinn, dass hier etwas nicht stimmt. Ich versuchte, nicht sofort in Panik zu geraten und rief die Polizei an.
Kurz darauf kam mein Mann nach Hause - er wusste inzwischen auch Bescheid. Wir gingen vorsichtig durch alle Zimmer um zu schauen, wie groß der Schaden war. In meinem Schlafzimmer standen alle Schränke offen, der Schmuck war offensichtlich durchwühlt und chaotisch hinterlassen worden.
Eine Stunde später war die Kriminalpolizei bei uns. Zwei nette Damen, die unserer kurzen Geschichte aufmerksam zuhörten und dann versuchten, alle möglichen Hinweise zu erfassen. Schuhabdruck auf dem Fensterbrett, Fingerabdruck auf dem Spiegelschrank - alles wurde penibelst untersucht und festgehalten.
Der Abend war sehr aufregend, ich konnte mich aber noch relativ gut beherrschen. Erst als ich im Laufe der nächsten Tage sah, was die Diebe alles gestohlen hatten, überkamen mich die Trauer und die Wut. Viele wichtige Dinge - z.B. mein Portemonnaie und die Papiere - hatten sie nicht gefunden. Dafür eben den Schmucktisch und meine Ketten, die für mich vom unheimlichen ideellen Wert waren!
Es ist so ein blödes Gefühl, zu wissen, dass jemand in Dein Zuhause, Deine Privatsphäre eingedrungen war und in Deinen Sachen rumwühlte! Wie soll ich mich hier je wieder wohl und sicher fühlen? Ich fürchte, daran werde ich noch Ewigkeit zu knabbern haben.
Und heute hatte ich noch einen interessanten Gedanken: Angenommen, die Leute, die mich jetzt bestohlen haben, kommen Jahre später zu mir als Arzt. Ich werde sie auch behandeln und ihnen mit Respekt gegenübertreten müssen - ich werde nie erfahren, wer mir das angetan hat. Das ist das blöde am Arztberuf: Egal, was die Patienten in ihrem Leben verbrochen haben mögen, als Arzt bist Du verpflichtet, zu helfen und zu heilen.
Mittwoch, 30. Dezember 2015
Auf Wiedersehen, Kardiologie!
So schnell ist die Zeit vergangen - heute war mein letzter Arbeitstag in der kardiologischen Abteilung. Die ganze letzte Woche konnte ich es mir nicht vorstellen, hier bald weg zu sein - und heute habe ich mein Fach ausgeräumt, und es ist plötzlich Wirklichkeit geworden.
In diesen sechs Monaten habe ich sehr viel gelernt. Natürlich, vor allem fachlich - obwohl Kardiologie im Studium mein absolutes Lieblingsfach war, sieht die klinische Arbeit doch etwas anders aus! Aber auch (zwischen)menschlich bin ich enorm weiter gekommen.
Ich habe gelernt, wie man Zusammenarbeit mit anderen Menschen gestalten kann, habe Freundschaften geschlossen und meine Kenntnisse im Zeitmanagement weiterentwickelt. Ich habe auch gesehen, wie Kollegialität im Arztberuf funktionieren kann und dass man nur an einem Strang ziehen muss, um sich gegenüber der Verwaltung durchzusetzen!
Natürlich war nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen, es gab auch schwierige Zeiten, in denen ich eben auf die Hilfe der Kollegen angewiesen war. Wenn ich jetzt aber auf die vergangene Zeit zurückblicke, wird es mir warm ums Herz.
Vielen Dank für die tolle Zeit an alle, die sie mit mir verbracht haben! Vielen Dank für alles, was ich bei und von Euch lernen durfte. Dieses Kapitel meines Lebens ist nun abgeschlossen, es fängt ein neues an.
In diesen sechs Monaten habe ich sehr viel gelernt. Natürlich, vor allem fachlich - obwohl Kardiologie im Studium mein absolutes Lieblingsfach war, sieht die klinische Arbeit doch etwas anders aus! Aber auch (zwischen)menschlich bin ich enorm weiter gekommen.
Ich habe gelernt, wie man Zusammenarbeit mit anderen Menschen gestalten kann, habe Freundschaften geschlossen und meine Kenntnisse im Zeitmanagement weiterentwickelt. Ich habe auch gesehen, wie Kollegialität im Arztberuf funktionieren kann und dass man nur an einem Strang ziehen muss, um sich gegenüber der Verwaltung durchzusetzen!
Natürlich war nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen, es gab auch schwierige Zeiten, in denen ich eben auf die Hilfe der Kollegen angewiesen war. Wenn ich jetzt aber auf die vergangene Zeit zurückblicke, wird es mir warm ums Herz.
Vielen Dank für die tolle Zeit an alle, die sie mit mir verbracht haben! Vielen Dank für alles, was ich bei und von Euch lernen durfte. Dieses Kapitel meines Lebens ist nun abgeschlossen, es fängt ein neues an.
Dienstag, 10. November 2015
My body, my rools
Die Unversehrtheit des eigenen Körpers: Heutzutage eine ganz selbsverständliche Sache (war übrigens nicht immer so, aber mehr dazu im Geschichtsunterricht). Deswegen müssen sich die Ärzte mit den unendlichen Aufklärungsgesprächen abquälen und dürfen diese nicht mal an Schwestern oder Medizinstudenten delegieren. Deswegen kriegen die Patienten meistens noch vor der geplanten Aufnahme ins Krankenhaus einen riesigen Stapel Papiere in die Hand gedrückt, bestehend aus etlichen Aufklärungsbögen, mit dem Hinweis, diese unbedingt noch vor dem ärztlichen Gespräch durchzulesen. Viele - vor allem ältere - haben dann so viel Vertrauen in das medizinische System, dass sie alles ohne weiteres bereits unterschrieben zurückbringen. Spart im Alltag zwar Zeit, ist aber als rechtliche Grauzone eher kritisch zu sehen.
Nun ja, diese ganzen aufwendigen Vorbereitungen dienen im Prinzip nur einem Zweck: Der Patient soll über den geplanten Eingriff oder die geplanten Untersuchungen möglichst umfassend informiert sein, um selbst entscheiden zu können, ob er dem nun zustimmt oder nicht. Klar, dass keine sechs Jahre Studium auf ein Blatt Papier kommen, aber es ist schon ein Schritt in die richtige Richtung.
So ist im Wesentlichen mein Gedankengang, wenn ich mich als Ärztin zu einem Aufklärungsgespräch begebe. Im Studium haben wir es schon geübt: Begrüßung, Vorstellung, Wahl der geeigneten Sprache ohne Fachausdrücke, gibt es noch offene Fragen am Ende? Ich kann zwar nicht zu jeder möglichen Untersuchung alle auch noch die kleinsten Risiken runterbeten, versuche aber schon das Wichtigste zu schildern.
Neulich habe ich mich mit einer alten Familienfreundin getroffen. Eigentlich ist sie die Freundin meiner Eltern und gehört daher streng genommen in deren Generation. Ich mag sie aber auch sehr gerne und treffe sie so oft ich kann (was eher so alle 1-2 Jahre geschieht, da zwischen unseren Wohnorten ca. 600 km liegen). Sie ist examinierte Krankenschwester vom Beruf und erzählt gerne und viel von ihrer Arbeit. Außerdem ist sie unverkennbar die gute Seele der Familie und wird wegen ihrer fachlichen und sprachlichen Kenntnisse gut und gerne von den zahlreichen Verwandten zu den Arztbesuchen mitgenommen.
Sie erzählte mir von einer Verwandten, die sie jetzt regelmäßig in verschiedene Arztpraxen und Krankenhäuser begleiten muss. Bei der Frau wurde neulich Brustkrebst festgestellt, leider schon metastasiert und daher nicht operabel.
Alles an sich sehr traurig. Nun muss sie Chemotherapie und Bestrahlung über sich ergehen lassen und wird wahrscheinlich nie wieder gesund. Solche Schicksale habe ich leider auch häufig auf meiner Krebsstation gesehen. Was mich hier aber stützig gemacht hat: Von ihrer Diagnose weiß die Frau nicht. Die Freundin, die mir das erzählte, betonte, dass sie ihr bewusst nichts davon gesagt hatte und das auch in der Zukunft nicht machen wird. Und die Patientin spricht nicht so gut Deutsch um das ganze ohne Hilfe zu verstehen.
Den Gedanken dahinter kann ich schon nachvollziehen. Die Freundin will ihre Verwandte schützen und ihr die letzte Zeit auf dieser Erde (Monate? Jahre?) nicht mit dem Urteil "Krebs" versäumen. Ich frage mich nur, inwieweit es der Frau gegenüber fair ist. Es ist schließlich ihr Körper, und theoretisch hätte sie schon Recht zu erfahren, was da los ist.
Was aber für mich nun eine nachdenkenswerte Frage ist, dürfte für die Generation meiner Eltern gar nicht zur Diskussion stehen. Denn das Recht auf die Unversehrtheit des Körpers, auf Einbeziehung in den Heilungsprozess, auf die gemeinsame Entscheidungsfindung ist eben nichts selbstverständliches und wird erst seit relativ wenigen Jahren in der Schulmedizin praktiziert. Als meine Mutter jung war, durfte man als Laie nicht mal die eigenen Blutdruckwerte erfahren, und Arztbriefe wurden in verschlossenen Umschlägen mit Aufschrift "Vertraulich" verschickt. Es gehörte zum Alltag, schlimme Diagnosen wie eben Krebs vom Patienten so lange wie möglich geheim zu halten.
Es hat beides seine Vor- und Nachteile. Manche Menschen scheinen mit zu vielen Informationen tatsächlich eher überfordert zu sein und blenden alles wieder aus, sobald das Gespräch vorbei ist - ein Schutzmechanismus unserer Psyche, gar nicht so sinnlos. Den einen richtigen Weg für alle gibt es halt nicht, wir sind alle zu unterschiedlich. Ich freue mich aber, dass ich in der Gesellschaft lebe, wo ich über meinen Körper frei verfügen und mit dem behandelnden Arzt (fast) auf Augenhöhe reden kann. Auch wenn es noch mehr lästige Aufklärungsgespräche für beide Seiten bedeutet - sei es drum.
Nun ja, diese ganzen aufwendigen Vorbereitungen dienen im Prinzip nur einem Zweck: Der Patient soll über den geplanten Eingriff oder die geplanten Untersuchungen möglichst umfassend informiert sein, um selbst entscheiden zu können, ob er dem nun zustimmt oder nicht. Klar, dass keine sechs Jahre Studium auf ein Blatt Papier kommen, aber es ist schon ein Schritt in die richtige Richtung.
So ist im Wesentlichen mein Gedankengang, wenn ich mich als Ärztin zu einem Aufklärungsgespräch begebe. Im Studium haben wir es schon geübt: Begrüßung, Vorstellung, Wahl der geeigneten Sprache ohne Fachausdrücke, gibt es noch offene Fragen am Ende? Ich kann zwar nicht zu jeder möglichen Untersuchung alle auch noch die kleinsten Risiken runterbeten, versuche aber schon das Wichtigste zu schildern.
Neulich habe ich mich mit einer alten Familienfreundin getroffen. Eigentlich ist sie die Freundin meiner Eltern und gehört daher streng genommen in deren Generation. Ich mag sie aber auch sehr gerne und treffe sie so oft ich kann (was eher so alle 1-2 Jahre geschieht, da zwischen unseren Wohnorten ca. 600 km liegen). Sie ist examinierte Krankenschwester vom Beruf und erzählt gerne und viel von ihrer Arbeit. Außerdem ist sie unverkennbar die gute Seele der Familie und wird wegen ihrer fachlichen und sprachlichen Kenntnisse gut und gerne von den zahlreichen Verwandten zu den Arztbesuchen mitgenommen.
Sie erzählte mir von einer Verwandten, die sie jetzt regelmäßig in verschiedene Arztpraxen und Krankenhäuser begleiten muss. Bei der Frau wurde neulich Brustkrebst festgestellt, leider schon metastasiert und daher nicht operabel.
Alles an sich sehr traurig. Nun muss sie Chemotherapie und Bestrahlung über sich ergehen lassen und wird wahrscheinlich nie wieder gesund. Solche Schicksale habe ich leider auch häufig auf meiner Krebsstation gesehen. Was mich hier aber stützig gemacht hat: Von ihrer Diagnose weiß die Frau nicht. Die Freundin, die mir das erzählte, betonte, dass sie ihr bewusst nichts davon gesagt hatte und das auch in der Zukunft nicht machen wird. Und die Patientin spricht nicht so gut Deutsch um das ganze ohne Hilfe zu verstehen.
Den Gedanken dahinter kann ich schon nachvollziehen. Die Freundin will ihre Verwandte schützen und ihr die letzte Zeit auf dieser Erde (Monate? Jahre?) nicht mit dem Urteil "Krebs" versäumen. Ich frage mich nur, inwieweit es der Frau gegenüber fair ist. Es ist schließlich ihr Körper, und theoretisch hätte sie schon Recht zu erfahren, was da los ist.
Was aber für mich nun eine nachdenkenswerte Frage ist, dürfte für die Generation meiner Eltern gar nicht zur Diskussion stehen. Denn das Recht auf die Unversehrtheit des Körpers, auf Einbeziehung in den Heilungsprozess, auf die gemeinsame Entscheidungsfindung ist eben nichts selbstverständliches und wird erst seit relativ wenigen Jahren in der Schulmedizin praktiziert. Als meine Mutter jung war, durfte man als Laie nicht mal die eigenen Blutdruckwerte erfahren, und Arztbriefe wurden in verschlossenen Umschlägen mit Aufschrift "Vertraulich" verschickt. Es gehörte zum Alltag, schlimme Diagnosen wie eben Krebs vom Patienten so lange wie möglich geheim zu halten.
Es hat beides seine Vor- und Nachteile. Manche Menschen scheinen mit zu vielen Informationen tatsächlich eher überfordert zu sein und blenden alles wieder aus, sobald das Gespräch vorbei ist - ein Schutzmechanismus unserer Psyche, gar nicht so sinnlos. Den einen richtigen Weg für alle gibt es halt nicht, wir sind alle zu unterschiedlich. Ich freue mich aber, dass ich in der Gesellschaft lebe, wo ich über meinen Körper frei verfügen und mit dem behandelnden Arzt (fast) auf Augenhöhe reden kann. Auch wenn es noch mehr lästige Aufklärungsgespräche für beide Seiten bedeutet - sei es drum.
Mittwoch, 26. August 2015
Die Herzenssache
Au weia, ist es eine Ewigkeit her, seit ich mich das lezte Mal meinem armen Blog gewidmet habe! Und dabei ist in der letzten Zeit wirklich sehr viel passiert. Ich fasse mal kurz zusammen.
Ganz vorne und ganz wichtig: Seit dem 1. Juli befinde ich mich in meiner ersten Rotation. Was es ist - ganz einfach. Auf meinem Weg zum Facharzt für Kardiologie (was ich eigentlich schon seit dem Beginn des Studiums werden will) bzw. für Pneumologie (wofür ich jetzt jedoch eher die Chance habe) muss ich außer der jeweiligen Wahlfachrichtungen auch jede Menge anderer sinnvoller Beschäftigungen gemeistert haben. So will es die Ärztekammer (und sie entscheidet im Endeffekt, wer alles Facharzt sein darf und wer nicht).
Es ist festgelegt, dass eine Fachrichtung für die Höchstdauer von einem Jahr anerkannt wird - so nach dem Motto, nach 12 Monaten beherrscht Du sie eben schon. Tja, und dementsprechend hüpfen junge Mediziner auf Stationen hin und her. Wer Glück hat, in einem großen Haus angestellt zu sein, braucht nur eine Absprache mit dem Chefarzt. Wer nicht, der muss nach außerhalb rotieren - so wie ich halt.
Das kleine Lungenfachkrankenhaus, wo ich seit dem letzten Jahr angestellt bin, verfügt außer der pneumologischen nur über eine thoraxchirurgische Abteilung (FACHkrankenhaus eben). Chirurgie würde mir theoretisch auch anerkannt werden, da stehe ich aber in der Warteschlange sehr sehr weit hinten. Es war also von Anfang an klar, dass ich irgendwann in ein anderes Krankenhaus muss.
In dieser Vorschrift habe ich die Chance gesehen, meiner langjährigen geheimen Liebe - der Kardiologie - nachzukommen (nach dem Studium hat es ja mit uns nicht so wirklich geklappt). Die andere Hoffnung war, den Arbeitsweg von nun knapp 1,5 Stunden auch nur ein wenig verkürzen zu können.
Aus diesen beiden Gründen habe ich mich bereits ein halbes Jahr im Voraus um einen Tauschpartner in nahe gelegenen Kliniken (d.h. im Umkreis von 15 km) bemüht. Die Erfolge... naja... waren dabei eher spärlich. Eine einzige Partnerin habe ich gefunden - keine Kardiologie, nein, dafür Nephro - die sogar zu einer Hospitation in meine Klinik kam. Lange habe ich dann auf ihre Rückmeldung gewartet, bis ihr Oberarzt mir schrieb, dass sie kein Interesse mehr an einem Tausch habe. Warum und wieso - weiß ich bis heute nicht mehr.
Es war im Endeffekt purer Zufall, der mich dahin gebracht hat, wo ich jetzt bin. Ein Kollege, der bereits Anästhesist ist und nun auch Internist werden will, sprach meinen Chef an. Er fragte mich, ob ich Interesse habe, und wenige Wochen später hielt ich den neuen Vertrag in der Hand.
Ich bin mit dem Tausch sehr zufrieden. Mal abgesehen von der fachlichen Weiterentwicklung (und das auch in dem Fach, das sowieso seit dem ersten Semester meine Herzenssache ist!), lerne ich hier, wie anders eine Klinik funktionieren kann. In der neuen Abteilung werden alle gedutzt (nur den Chef spricht man per Sie an), es gibt ein eigenes Labor im Hause, es gibt KEIN Belegungsmanagement (und das heißt keine Leute ohne medizinischen Abschluss, die mir vorschreiben, wie lange der oder der Patient behandelt werden darf), es wird gemeinsam gefrühstückt und zu Mittag gegessen, vor Chef- oder Oberarzt-Visiten braucht man keine Angst zu haben, fertig gemacht zu werden, es gibt nur die Röntgenbesprechung, also keine Tumorkonferenzen oder andere Sitzungen- die Stimmung ist insgesamt sehr entspannt!
Mag sein, dass ich die Vorgänge hier eher durch eine rosarote Brille sehe. Wenn es mal ungemütlich wird, kann ich immer daran denken, dass der Tausch ja nicht ewig geht. Außerdem habe ich manchmal das Gefühl, als "Gast" eine Sonderbehandlung zu erfahren. Egal - ich merke, dass ich in der Kardiologie in meinem Element bin und hoffe, dass wir unsere Bekanntschaft auch nach Abschluss des Ausflugs noch weiter fortführen werden.
Ganz vorne und ganz wichtig: Seit dem 1. Juli befinde ich mich in meiner ersten Rotation. Was es ist - ganz einfach. Auf meinem Weg zum Facharzt für Kardiologie (was ich eigentlich schon seit dem Beginn des Studiums werden will) bzw. für Pneumologie (wofür ich jetzt jedoch eher die Chance habe) muss ich außer der jeweiligen Wahlfachrichtungen auch jede Menge anderer sinnvoller Beschäftigungen gemeistert haben. So will es die Ärztekammer (und sie entscheidet im Endeffekt, wer alles Facharzt sein darf und wer nicht).
Es ist festgelegt, dass eine Fachrichtung für die Höchstdauer von einem Jahr anerkannt wird - so nach dem Motto, nach 12 Monaten beherrscht Du sie eben schon. Tja, und dementsprechend hüpfen junge Mediziner auf Stationen hin und her. Wer Glück hat, in einem großen Haus angestellt zu sein, braucht nur eine Absprache mit dem Chefarzt. Wer nicht, der muss nach außerhalb rotieren - so wie ich halt.
Das kleine Lungenfachkrankenhaus, wo ich seit dem letzten Jahr angestellt bin, verfügt außer der pneumologischen nur über eine thoraxchirurgische Abteilung (FACHkrankenhaus eben). Chirurgie würde mir theoretisch auch anerkannt werden, da stehe ich aber in der Warteschlange sehr sehr weit hinten. Es war also von Anfang an klar, dass ich irgendwann in ein anderes Krankenhaus muss.
In dieser Vorschrift habe ich die Chance gesehen, meiner langjährigen geheimen Liebe - der Kardiologie - nachzukommen (nach dem Studium hat es ja mit uns nicht so wirklich geklappt). Die andere Hoffnung war, den Arbeitsweg von nun knapp 1,5 Stunden auch nur ein wenig verkürzen zu können.
Aus diesen beiden Gründen habe ich mich bereits ein halbes Jahr im Voraus um einen Tauschpartner in nahe gelegenen Kliniken (d.h. im Umkreis von 15 km) bemüht. Die Erfolge... naja... waren dabei eher spärlich. Eine einzige Partnerin habe ich gefunden - keine Kardiologie, nein, dafür Nephro - die sogar zu einer Hospitation in meine Klinik kam. Lange habe ich dann auf ihre Rückmeldung gewartet, bis ihr Oberarzt mir schrieb, dass sie kein Interesse mehr an einem Tausch habe. Warum und wieso - weiß ich bis heute nicht mehr.
Es war im Endeffekt purer Zufall, der mich dahin gebracht hat, wo ich jetzt bin. Ein Kollege, der bereits Anästhesist ist und nun auch Internist werden will, sprach meinen Chef an. Er fragte mich, ob ich Interesse habe, und wenige Wochen später hielt ich den neuen Vertrag in der Hand.
Ich bin mit dem Tausch sehr zufrieden. Mal abgesehen von der fachlichen Weiterentwicklung (und das auch in dem Fach, das sowieso seit dem ersten Semester meine Herzenssache ist!), lerne ich hier, wie anders eine Klinik funktionieren kann. In der neuen Abteilung werden alle gedutzt (nur den Chef spricht man per Sie an), es gibt ein eigenes Labor im Hause, es gibt KEIN Belegungsmanagement (und das heißt keine Leute ohne medizinischen Abschluss, die mir vorschreiben, wie lange der oder der Patient behandelt werden darf), es wird gemeinsam gefrühstückt und zu Mittag gegessen, vor Chef- oder Oberarzt-Visiten braucht man keine Angst zu haben, fertig gemacht zu werden, es gibt nur die Röntgenbesprechung, also keine Tumorkonferenzen oder andere Sitzungen- die Stimmung ist insgesamt sehr entspannt!
Mag sein, dass ich die Vorgänge hier eher durch eine rosarote Brille sehe. Wenn es mal ungemütlich wird, kann ich immer daran denken, dass der Tausch ja nicht ewig geht. Außerdem habe ich manchmal das Gefühl, als "Gast" eine Sonderbehandlung zu erfahren. Egal - ich merke, dass ich in der Kardiologie in meinem Element bin und hoffe, dass wir unsere Bekanntschaft auch nach Abschluss des Ausflugs noch weiter fortführen werden.
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