Seit fast 3 Monaten bin ich nun berufstätig. Und der Einstieg verlief leider nicht wie geplant.
Angefangen damit, dass ich bereits im Oktober die ersten Bewerbungen verschickt habe und mich gerade auf die vielen Einladungen zum Gespräch oder schon die Stellenangebote freute - so einen Eindruck von der Berufswelt hatte ich zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall, da wir während des Studiums in jeder zweiten Vorlesung hörten: "Ach, was Ihr jetzt für eine entspannte Situation auf dem Berufsmarkt habt!" Doch, wie eine gute Freundin zu sagen pflegt, Pustekuchen!
Die Stellenangebote blieben zu meiner Überraschung ganz aus. Nicht mal zu den Bewerbungsgesprächen wurde ich viel eingeladen: nach 20 verschickten Bewerbungen gerade mal drei Einladungen! Die Realität sah also ganz anders aus.
Die Stelle beim ersten Gespräch war nicht so ganz, was ich ursprünglich haben wollte. Doch der Chefarzt war so nett, dass ich mich für seine Klinik auch sehr begeistert habe. Leider habe ich seitdem nie was von der Abteilung gehört. Schade.
Das zweite Gespräch bekam ich am wahrscheinlichsten durch das berühmte Vitamin B: die Beziehung. Bei der zweiten Einzelprüfung meiner Doktorarbeit lud mich der Prüfer praktisch ein, mich in seiner Klinik zu bewerben und dort anzufangen. So war das Ergebnis irgendwie auch logisch: Der Chefarzt wusste schon nach knapp 45 Minuten, dass er mich anstellen möchte und übergan das weitere Prozedere an den leitenden Oberarzt. Ihm konnte ich es endlich sagen, dass ich noch gar nicht ausgelernt bin und mich eigentlich kurz vor der mündlichen Prüfung befinde. Na gut, ich solle mich dann nach der Prüfung melden, war die Antwort. Als ich das aber getan habe (zusammen mit der Nachricht, dass ich für 10 Tage im Urlaub bin, weil ich im Vorstellungsgespräch keine Möglichkeit hatte, das zu erwähnen), hieß es auf einmal: "Die Stelle ist jetzt eingefroren, manchmal muss man eben zugreifen". Irgendwie blöd, auch wenn ich in dieser Klinik nicht so wirklich gerne angefangen hätte.
Das dritte Gespräch war vorerst das beste von allen: Der Chefarzt zeigte mir höchstpersönlich die Klinik und wir waren voneinander sehr begeistert. Er sagte mir sogar zwischen den Blumen, dass er mich auch gerne anstellen würde. Neben der Tatsache, dass man dort viel Funktionsdiagnostik lernen könne und die Klinik allen Assistenzärzten den Notarztkurs bezahle, war ich auch von dem anscheinend netten Chefarzt angetan und habe meine Entscheidung getroffen: Dort will ich anfangen.
Und dann kam das lange Warten: Die endgültige Zusage verzögerte sich. Ich habe dann noch von mir aus eine E-mail geschrieben und gefragt, ob ich hospitieren kommen kann, erst dann antwortete der Chefarzt und wir vereinbarten einen Termin.
Jetzt im Nachhinein weiß ich, dass ich mir diese Hospitation genauso hätte sparen können. Da es die allererste ihrer Art war und ich als Berufsanfängerin noch gar keine Ahnung hatte, worauf dabei Wert gelegt wird, waren es verlorene 8 Stunden. Ich habe dabei versucht, mich von der besten Seite zu zeigen und gar nicht darauf geachtet, die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse in der Klinik rauszufinden.
Und so kam es wie es kam. Ich habe zwar in dieser Klinik zum 1. Februar angefangen (wobei mir die Stelle am 21.01 von der Personalabteilung abgesagt und erst am 31.01, also am Tag vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn endlich zugesagt wurde - und dann auch bloß nur für ein Jahr!), habe aber recht schnell rausgefunden, an wievielen Stellen mich die Geschehnisse dort stören und dass ich meine Facharztweiterbildung dort gar nicht verbringen will.
Hier erzähle ich mal etwas ausführlicher. Die Klinik für Innere Medizin, wo ich gerade bin, gehört zu einem kleinen Kreiskrankenhaus in den Wäldern Brandenburgs. Es gibt drei Stationen, einen Funktions- und Endoskopiebereich sowie eine große Rettungsstelle. Die Stationen sind nicht nach Fach unterteilt, sondern beinhalten alle möglichen Krankheitsfälle der Inneren Medizin querbeet: In einem Zimmer kann ein Patient mit Angina pectoris-Syndrom* neben einem anderen mit Magengeschwüren oder Lungenentzündung liegen.
So eine Konstellation ist an sich natürlich nichts schlimmes: Dadurch kann man eben die häufigsten Krankheitsbilder der ganzen Innere Medizin lernen und hat einen guten Überblick. Das Problem, das ich aber erst nach dem Arbeitsbeginn (leider, leider!) rausgefunden habe, ist, dass in dieser Abteilung sehr wenig Wert auch Weiterbildung gelegt wird.
Im Gegensatz zu den honigsüßen Reden des Chefarztes im Vorstellungsgespräch befand sich auf meiner Station kein Facharzt, der mich ausbilden könnte. Au contraire: Am dritten Tag wurde ich mit meinen 16 Patienten alleine gelassen und durfte dann auch schon alleine die Visite leiten und das weitere Vorgehen bestimmen. Schon recht sportlich, finde ich.
Die andere Stationsärztin, die auf ihrer Seite für ganze 18 Patienten zuständig war, befand sich auch noch in Probezeit. Sie hat sich zwar enorm Mühe gegeben, mir alles beizubringen, was sie selbst weiß, aber es gab auch schon Momente, bei denen wir beide einfach überfragt waren. In solchen Situation kann - und soll man sich eigentlich an den Oberarzt wenden. Unsere Chefin war aber in der Funktionsdiagnostik so sehr angebunden, dass sie kaum noch Zeit für uns hatte. Und so waren wir wiederum auf uns alleine gestellt, denn - wie schon gesagt - der versprochene Facharzt fehlte.
Dadurch haben sich im ersten Monat natürlich unglaublich viele Überstunden bei mir eingesammelt. Als ich sie mit meinem ersten Gehalt dann verrechnet habe, kam ich auf unglaubliche 5€/h. Dafür sollte man unbedingt 6,5 Jahre studieren!
Meine Frustration wurde umso größer, als ich mitbekommen habe, wie eine andere Kollegin eingearbeitet wird, die ebenfalls Berufsanfängerin ist und mit mir gemeinsam ihre Stelle zum 1. Februar angetreten hat. Nur ein Beispiel: Ihr Oberarzt machte sich Sorgen, dass sie nur nach 3 Wochen Berufserfahrung so um die 12-14 Patienten betreuen sollte: Das könne man doch von einer Anfängerin nicht erwarten!
Als meine Oberärztin den Chefarzt am selben Tag in der Visite auf diese doppelten Standards ansprach, würgte er sie nur ab: "Nein, das machen wir nicht". Und so war das Thema gegessen und ich durfte weiterhin 3-4 Überstunden pro Tag machen und mir fast alles selbst beibringen.
Nebenbei bekam ich vom Chefarzt nur Anmerkungen wie "Sie sollen doch die Zeiten einhalten" - als ich zur Mittagsbesprechung 5 Minuten zu spät kam - und lernte in den Chefvisiten als einziges nur, dass ich Konsile erst nach der oberärztlichen Absegnung anordnen darf. Endgültig zu viel wurde es aber, als er eines Tages nach der Frühbesprechung alle meine Überstunden aus dem Februar gestrichen hat. Da platzte bei mir echt der Kragen. Am nächsten Tag reichte ich meine Kündigung ein.
Hier muss ich sagen, dass es sich dabei um Glück im Unglück handelt. Als ich von der Personalabteilung im Januar die Absage bekommen habe, machte ich mich umso intensiver an die weitere Arbeitssuche und schickte Lebensläufe und Bewerbungen wie verrückt aus. Ende Februar und Anfang März kamen dann auch die Antworten und ich wurde zu einigen Gesprächen eingeladen. Bei einem davon bekam ich nur zwei Tage später schon die Zusage zum 1. Mai und eine Woche später den Vertrag zugeschickt.
Und so hat sich alles doch noch zum Guten gewendet: Jetzt klappt der nahtloser Übergang und ich kann meinem jetzigen Chefarzt die lange Nase zeigen und sagen: "Hier wird der Schlussstrich gezogen! Bis hierher - und nicht weiter!"
Bleibt dran, ich werde im Mai auf jeden Fall schreiben, wie es mit der neuen Stelle losgegangen ist!
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* Angina pectoris-Syndrom - wortwörtlich "Brustenge", Symptome bei einer unzureichenden Sauerstoffversorgung des Herzmuskels
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